Der elektrische Mönch
verspätet vielleicht, daß das Pferd wahnsinnigen Durst haben müsse. Er selbst hatte auch wahnsinnigen Durst, hatte aber versucht, nicht dran zu denken. Er schnallte die Wasserflasche vom Sattel los. Sie war jammervoll leicht. Er schraubte sie auf und trank einen kräftigen Schluck. Dann goß er ein wenig in seine hohle Hand und hielt sie dem Pferd hin, das kurz und gierig daraus schlürfte.
Das Pferd sah ihn wieder an.
Der Mönch schüttelte traurig den Kopf, schraubte die Flasche wieder zu und hängte sie an ihren Platz zurück. Er wußte in dem kleinen Teil seines Gehirns, daß er mit dem Wasser nicht mehr lange hinkommen werde, und ohne es auch nicht.
Es war nur sein Glaube, der ihn hochhielt, im Augenblick sein Glaube an DIE TÜR.
Er klopfte sich den rosa Staub von der groben Kutte, dann stand er da und blickte zu der Felsenklippe hinüber, die keine hundert Meter entfernt war. Er blickte nicht ohne ein leichtes, winziges Zittern hinüber. Obgleich der größere Teil seines Inneren in seinem ewigen und unerschütterlichen Glauben ruhte, daß hinter dem Felsen eine Tür und diese TÜR der WEG sei, konnten doch winzige Teile seines Hirns, die über die Wasserflasche Bescheid wußten, nicht umhin, sich an frühere Enttäuschungen zu erinnern, und sandten einen sehr leisen, aber schrillen Warnton aus.
Wenn er sich dazu entschlösse, nicht zu der TÜR zu gehen, dann könnte er ewig weiter an sie glauben. Sie bliebe der Richtpunkt seines Lebens (so wenig auch davon noch übrig war, sagte der Teil seines Gehirns, der über die Wasserflasche Bescheid wußte).
Wenn er andererseits hinginge, um der TÜR seine Ehrfurcht zu erweisen, und sie wäre gar nicht da ... was dann?
Das Pferd wieherte ungeduldig.
Die Antwort war natürlich sehr einfach. Er besaß eine ganze Serie von Schaltkreisen, die genau für dieses Problem zuständig waren, ja im Grund war das der eigentliche Kern seiner Funktion. Er würde weiter daran glauben, ganz egal, wie die Tatsachen auch aussähen, denn welchen Sinn hätte sonst der Glauben?
DIE TÜR wäre da, auch wenn sie gar nicht da wäre.
Er riß sich zusammen. DIE TÜR würde dort sein, und er mußte jetzt hingehen, denn DIE TÜR war DER WEG.
Statt wieder auf sein Pferd zu steigen, führte er es. DER WEG war nur ein kurzer Weg, und er wollte in Demut vor DIE TÜR treten.
Er ging mutig und aufrecht und mit feierlicher Langsamkeit. Er näherte sich dem Felsen. Er erreichte ihn. Er bog um die Ecke. Er guckte.
DIE TÜR war da.
Das Pferd, das muß gesagt werden, war ziemlich erstaunt.
Der Mönch fiel vor Ehrfurcht und Verblüffung auf seine Knie. Er war dermaßen darauf gefaßt gewesen, mit der Enttäuschung fertig zu werden, die normalerweise sein Schicksal war, obwohl er das nie zugeben würde, daß er auf das hier überhaupt nicht vorbereitet war. Er starrte DIE TÜR in purer, sprachloser Systemverwirrung an.
Es handelte sich um eine Tür, wie er noch keine gesehen hatte. Alle Türen, die er kannte, waren große, stahlarmierte Ungetüme, und zwar wegen all der Videorecorder und Geschirrspüler, die dahinter verwahrt wurden, und natürlich all die teuren Elektrischen Mönche, die gebraucht wurden, um an all das zu glauben. Die hier war schlicht, hölzern und klein, ungefähr von seiner Größe, weiß gestrichen, mit einem einzigen, leicht verbeulten Messingknopf auf einer Seite, etwas unter halber Höhe. Sie saß in der Felswand, ohne eine Erklärung, woher sie komme oder wozu sie gut sei.
Kaum wissend, was er wagte, rappelte sich der arme, verdutzte Mönch wieder hoch und ging, sein Pferd am Zügel führend, ängstlich darauf zu. Er streckte die Hand aus und berührte sie. Er erschrak dermaßen, als keine Alarmglocken losschrillten, daß er einen Satz zurück machte. Er berührte sie noch mal, diesmal etwas fester.
Er ließ seine Hand langsam auf den Knopf sinken - wieder kein Alarm. Er wartete, um ganz sicher zu sein, dann drehte er ihn sehr, sehr vorsichtig herum. Er spürte, wie ein Mechanismus klickte. Er hielt den Atem an. Nichts. Er zog die Tür auf sich zu, und sie kam ihm ohne weiteres entgegen. Er blickte ins Innere, aber da drinnen war es so düster im Gegensatz zu der Wüstensonne draußen, daß er nichts sehen konnte. Schließlich trat er, fast tot vor Staunen, ein und zog das Pferd hinter sich her nach drinnen.
Eine Gestalt, die außer Sichtweite hinter dem nächsten Felsen gesessen hatte, hörte ein paar Minuten später damit
Weitere Kostenlose Bücher