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Der Engel Esmeralda

Der Engel Esmeralda

Titel: Der Engel Esmeralda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
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Resultat dieser Sequenzenaus präzisen und esoterischen Schritten. Aber oft gelingt mir das nicht. Ich lasse das Bild herein, ich denke den Gedanken, ich sage manchmal sogar das Wort. Das ist natürlich verwirrend. Ich fühle mich hereingelegt. Mein Vergnügen fühlt sich verraten, als hätte es ein Eigenleben, eine kindliche Existenz oder die eines intelligenten Tieres, die von dem Mann an der Abschusskonsole unabhängig ist.
    Wir zählen von fünf herunter. Vollmer löst den Hebel, der die Systemreinigungsdiskette abspielt. Mein Pulsmessgerät blinkt in Drei-Sekunden-Intervallen grün. Wir zählen von drei herunter. Wir drehen die Modalschlüssel drei Viertel nach rechts. Ich aktiviere den Strahlen-Sequenzer. Wir drehen die Schlüssel ein Viertel nach rechts. Wir zählen von drei herunter. Bluegrass-Musik kommt aus der Gegensprechanlage. Die verstärkte Stimme sagt: Sie sind jetzt in den Abschussmodus geschaltet .
    Wir studieren unsere Weltkarten-Sets.
    »Spürst du nicht manchmal eine Kraft in dir?«, sagt Vollmer. »Bei extrem guter Gesundheit, die Art Zustand. Ein arrogantes Gesundsein. Das ist es. Du fühlst dich so gut, dass du allmählich meinst, du wärst etwas Besseres als die anderen. Eine Art Lebenskraft. Einen Optimismus über dich selbst, den du fast auf Kosten der anderen erzeugst. Spürst du das nicht manchmal?«
    (Ja, ehrlich gesagt.)
    »Wahrscheinlich gibt es im Deutschen ein Wort dafür. Aber was ich damit eigentlich sagen will, dieses kraftvolle Gefühl ist so – was weiß ich – empfindlich . Das ist es. Einen Tag ist es da, am nächsten bist du plötzlich mickrig und verloren. Eine winzige Kleinigkeit läuft schief, und du fühlst dichverloren, restlos schwach und niedergeschlagen und unfähig, kraftvoll zu handeln oder auch nur vernünftig. Alle anderen haben Glück, nur du hast Pech und bist ratlos, traurig, ineffektiv und verloren.«
    (Ja, ja.)
    Wir fliegen zufällig gerade über den Missouri River und blicken zu den Red Lakes von Minnesota hinüber. Ich beobachte Vollmer, der sein Karten-Set durchgeht und versucht, beide Welten übereinzubringen. Es liegt ein tiefes, geheimnisvolles Glücksgefühl darin, die Richtigkeit einer Karte zu überprüfen. Er wirkt enorm befriedigt. Er sagt die ganze Zeit: »Das ist es, das ist es.«
    Vollmer redet von der Kindheit. In der Erdumlaufbahn hat er zum ersten Mal über seine frühen Jahre nachgedacht. Die Macht dieser Erinnerungen hat ihn überrascht. Beim Sprechen blickt er unverwandt zum Fenster. Minnesota ist eine kleine Menschlichkeit. Oberer Red Lake, Unterer Red Lake. Er hat eindeutig das Gefühl, sich dort sehen zu können.
    »Kinder gehen nicht spazieren«, sagt er. »Sie sonnen sich nicht und sitzen auch nicht auf der Veranda.«
    Er will wohl sagen, diese Kinder sind zu gut versorgt, als dass bei ihnen Anfälle aufgewerteten Daseins vorkommen müssten, von denen alle anderen abhängig sind. Als Gedanke durchaus kühn, muss aber nicht weiterverfolgt werden. Es wird Zeit, sich auf einen Quantum Burn vorzubereiten.
    Wir hören uns die alten Radiosendungen an. Licht flackert auf und verbreitet sich über die blau geränderte Kante, Sonnenaufgang, Sonnenuntergang, die Raster der Städte im Schatten. Ein Mann und eine Frau tauschen gut getimte Bemerkungen aus, leichtes, pointiertes Geplänkel. In der Tenorstimmedes jungen Sängers schwingt eine Süße mit, eine schlichte Spannkraft, die von Zeit und Entfernung und willkürlichen Geräuschen in beredte Sehnsucht eingehüllt worden ist. Jeder Klang, jedes kleine Streichermotiv hat diese Alterspatina. Vollmer sagt, er kann sich an diese Sendungen erinnern, obwohl er sie natürlich nie gehört hat. Welch seltsames zufälliges Zusammentreffen, welche Arabeske oder Gnade der Gesetze der Physik versetzt uns in die Lage, diese Signale zu empfangen? Weit gereiste Stimmen, eingekastelt und intensiv. Manchmal haben sie das Losgelöste, Surreale einer Hörhalluzination, wie Stimmen auf dem Dachboden, Klagen toter Verwandter. Doch die Klangeffekte stecken voller Drang und Schwung. Autos quietschen um gefährliche Ecken, knackige Pistolenschüsse erfüllen die Nacht. Es waren, es sind Kriegszeiten. Kriegszeiten für Duz-Seife und Trauben-Nuss-Flocken. Komiker machen sich darüber lustig, wie der Feind spricht. Wir hören hysterisches Pseudo-Deutsch, schwarzgebranntes Japanisch. Die Städte sind erleuchtet, die lauschenden Millionen gefüttert, bequem angekommen in dösenden Räumen, im Krieg, während die Nacht

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