Der Entertainer
den Dschungelrand zuglitt und eine Sekunde später in das Unterholz hineinrammte. Er riß dort eine regelrechte Schneise, rutschte weiter und wurde erst gestoppt, als mächtiges Wurzelwerk sich ihm entgegenstemmte. Es wuchs wie eine federnde Mauer aus dem Boden, denn der Baum, zu dem es gehörte, war zur Seite gekippt. Auf der Seite liegend und mit der Schnauze zuerst stieß der Jeep wie eine kantige Faust aus Metall in das Hindernis und blieb darin stecken. Der Motor lief längst nicht mehr, dafür drehten sich die beiden Außenräder, wurden aber müder und standen schließlich still. Keiner der Männer war angeschnallt gewesen. So etwas hatten sie nicht für nötig gehalten.
Carica hatte sich am Lenkrad festgeklammert, was ein Fehler gewesen war. So hatte sich das Steuer gegen seine Brust drücken können. Als er Luft holte, wimmerte er vor Schmerzen auf, denn einige Kippen waren bei ihm zumindest angebrochen.
Seinem Freund erging es besser. Zwar hatte er Beulen abbekommen, doch den Kopf rechtzeitig genug schützen können und sich zudem so geduckt, daß er die Aufprallwucht hatte abfangen können. Er atmete keuchend, hörte das Wimmern und erkundigte sich, was los war.
»Die Rippen, verdammt!«
»Kannst du dich bewegen?«
»Kaum.«
»Ich krieche raus. Dann versuche ich, dich zu holen. Bleib liegen und rühr dich nicht.«
»Klar doch, ich renne schon nicht weg. Aber weißt du, was das gewesen ist? Hast du es gesehen?«
»Ja, Scheiße.«
»Was denn?«
»Hör auf!« Der Mann wollte nicht mehr daran erinnert werden. Er hoffte, einen Traum erlebt zu haben, doch tief in seinem Innern sagte ihm eine Stimme, daß es kein Traum gewesen war, sondern die blutige, verfluchte Realität.
Um den zertrümmerten Wagen zu verlassen, mußte er über den Fahrer hinwegsteigen, was nicht einfach sein würde. »Reiß dich zusammen, Carica, wir packen das.«
»Du packst es.«
»Auch.«
Er hatte sich gestreckt. Mit beiden Händen drückte er gegen die Tür und hoffte, daß sie nicht verbogen war.
Sie war es. So sehr er sich auch anstrengte, er kam nicht aus diesem Gefängnis heraus.
»Nimm den anderen!« flüsterte der Verletzte.
Es war der Weg durch den Fond. Wie eine Schlange wand sich der Dunkelhäutige durch schmale Lücken, erreichte den Fond, wo sich das Brett gelöst hatte und er es als Hilfsmittel einsetzen konnte, wenn er es auch hier nicht schaffte, die Tür aufzustoßen.
Es klappte.
Nachdem der Hebel gekippt war, konnte er die Tür mit der Schulter nach außen rammen.
Natürlich fiel sie sofort wieder zurück, da sie keinen Halt besaß, aber das war kein Thema.
Mit dem Kopf zuerst kroch er aus dem Wagen und war froh darüber, daß irgendwelches Benzin kein Feuer gefangen hatte. Dann hätten beide keine Chance gehabt.
Keuchend, sich abmühend und aus jeder Pore schwitzend schaffte es der Mann.
Er kippte nach vorn, streckte die Arme aus und drückte sich mit den Händen ab, die auf dem weichen Dschungelboden einen relativ sicheren Halt gefunden hatten.
Die Beine mußte er noch nachziehen, dann war es geschafft. Er fiel plötzlich zusammen, konnte sich aber abrollen und kam wieder auf die Beine.
Erst jetzt spürte er den stechenden Schmerz, der durch sein Knie schoß. Er hatte das Gefühl, eine Brandblase vorzufinden, und der Schmerz jagte hinein bis in seine Wade.
Der Mann preßte die Lippen zusammen. Noch stand er, bückte sich und legte seine rechte Hand um das Knie, als könnte er so dafür sorgen, daß es geheilt wird.
Das Rascheln überhörte er und auch die Schritte. Dann war es da!
Es war sein sechster Sinn, der ihn warnte und gleichzeitig einen Eishagel über seinen Rücken laufen ließ. Der Schatten erschien vor ihm und war groß wie eine Wand.
Er lebte!
Begreifen konnte der Mann nichts. Er wußte nur, daß er als Opfer gedacht war.
Da stand ein gewaltiges Etwas vor ihm, eine Mischung aus Wolf und Bär, wie ihm vorkam. Er sah die vorgeschobene Schnauze, die tiefen Falten und Runzeln in seinem Gesicht, das wirre, grünliche Haar und natürlich die mörderischen Zähne.
Aus dem gekippten Jeep vernahm er Caricas Stimme. »Verdammt, was ist denn los? Warum holst du mich nicht raus?«
Der Mann konnte nicht sprechen. Seine Kehle war wie zugestampft. Ihn würgte vom Magen die Säure hoch und erzeugte in seiner Kehle einen bitteren Geschmack.
Das Gesicht der Bestie sah aus wie altes Leder, der Körper allerdings nicht.
Auf ihm wuchs dichtes Haar, so braun und schwarz wie ein Pelz, in dem es
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