Der Entertainer
überraschte mit dieser Antwort selbst die Frau.
»So ist es nicht. Ich… ich kann nicht bei dir bleiben. Ich muß wieder zurück, denn ich will sie retten.«
»Wen denn?«
Fieber loderte in den Augen des jungen Mannes. »Sie alle, die bei uns sind. Keiner hat gespürt, daß sich das Grauen nähert, aber es umschleicht sie. Das Böse ist bereits da. Es wird Blut fließen, viel Blut, so glaubt mir doch.«
»Hast du es gesehen?«
»Weiß nicht…«
»Bitte, Vasco, denke nach. Wie sah es denn aus? Das Böse hat ein Gesicht, wenn es ihm gelungen ist, Gestalt anzunehmen. Das wissen wir beide doch.«
»Ja, ja. Ich habe es als Schatten gesehen. In der letzten Nacht huschte es um unser Haus. Dann war es plötzlich weg.«
»Wohin?«
»Ich konnte es nicht verfolgen.«
»Wir glauben dir.«
Vasco Falanga griff nach den Händen der Frau. Er schaute sie an, seinen Lippen zitterten. Die nächste Frage würde ihm schwerfallen. »Sei ehrlich zu mir. Glaubst du vielleicht, daß ich das Böse bin? Daß ich vor mir selbst weggelaufen bin?«
Madame Oviano drehte den Kopf. Sie schaute ihr Medium an, doch Coco hob nur die Schultern.
»Nein, mein Junge, ich glaube nicht daran, daß du das Btise bist. Du kannst es spüren, das ist alles. Aber du selbst bist ihm nicht verfallen. Oder zweifelst du daran?«
»Ich weiß wirklich selbst nicht, was ich davon halten soll. Ich… ich weiß es nicht.«
Die Frau überlegte einen Moment und starrte in die Kerzenflamme, als würde sie dort die Lösung der Probleme finden.
»Ich möchte dich fragen, wie es weitergehen soll. Bist du nur gekommen, um dich hier auszuruhen, oder willst du bleiben.«
»Ich habe Vertrauen zu dir.«
»Das finde ich auch toll. Noch einmal die Frage: Willst du bleiben oder gehen?«
»Ich gehe.«
»Wieder zurück?«
Vasco umfaßte ihren Arm. »Ja, ich will zurück, aber ich möchte, daß du an meiner Seite bleibst. Ist das zuviel verlangt? Willst du mit mir gehen und aufpassen?«
»Soll ich dich beschützen?«
»Darum bitte ich dich!«
Die Voodoo-Königin überlegte. »Du müßtest eigentlich einen Grund dafür haben.«
»Es ist die Angst, die mich umklammert hält. Die reine Angst, verstehst du das?«
»Nein…«
»Doch, doch…« Er schüttelte sich. »Das ist einfach grauenhaft, wenn man spürt, daß irgend jemand lauert. Er umringt dich, er will dich irgendwann töten, aber er zeigt sich nicht. Ich fürchte mich wahnsinnig davor.«
»Das kann ich gut verstehen. Aber weiter. Wir sollen also mit dir kommen.«
»Genau.«
»Wie wird es weitergehen? Was hast du dir vorgestellt?«
Er senkte seine Stimme zu einem Flüstern. »Bleibt immer in meiner Nähe, bitte, denn ich bin die Person, auf die es ankommt. Ich bin der Magnet, der das Böse anzieht. Ich glaube an das viele Blut, das sich über uns ergießen wird. Ich glaube fest daran, es gibt kein Zurück mehr.«
Madame Oviano nickte. »Gut, Vasco, wir werden später darüber reden.«
»Nicht zu lange warten, bitte nicht.«
»Nein, keine Sorge.« Sie wollte mit Coco reden und schritt auf sie zu. Hinter ihr blieb Vasco Falanga starr hocken, den Kopf gesenkt und den Blick ins Leere gerichtet.
Die beiden Frauen redeten sehr leise. »Du hast alles gehört, Coco, was sagst du dazu?«
»Ich… ich weiß es nicht.«
»Aber du hältst ihn noch immer nicht für den Killer?«
»Das kann ich auch nicht sagen. Ich steh' in einem großen Zweifel. Ist er gespalten?«
Die Voodoo-Königin nickte. »Daran habe ich ebenfalls gedacht. Eine gespaltene Persönlichkeit, die sich bei Anbruch der Dunkelheit in einen anderen verwandelt.«
»In den Entertainer?«
»Hoffentlich nicht. Aber wir sollten mit ihm gehen und in seiner Nähe bleiben. Auch wenn er bei seinen Eltern nicht gern gesehen wird, er braucht sich nicht um sie zu kümmern. Das Haus der Falangas ist sehr groß. Es gibt genügend Räume, in die wir uns zurückziehen können. Einverstanden?«
»Ja, ich vertraue dir.«
Als Madame Oviano auf Vasco zuging und ihr Schatten über ihn fiel, hob er den Kopf. »Nun, hast du dich entschlossen?«
»Das habe ich in der Tat, mein Junge. Wir werden deinem Wunsch nachkommen.«
Er sprang auf. »Du willst mich begleiten?«
»Nicht nur ich, auch Coco geht mit.«
Vasco atmete auf, als wäre ihm eine große Last von der Seele gerutscht.
»Das finde ich gut, sehr gut. Es wird bald dunkel. Da möchte ich nicht allein sein.« Er schaute zur Decke, obwohl er den Kopf eingezogen und eine Gänsehaut bekommen hatte. »Dann
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