Der Erbe von Sean Garraí (Das Kleeblatt)
bereits, lediglich mit einem schmalen Handtuch bekleidet, gesehen.“
„Nein. Nicht nur dort, an meinem Bein.“
Sie blickte zu ihm auf und legte eine Hand an seine Wange.
„Es sieht furchtbar aus“, wandte er ein , als sie langsam sein Hemd über die breiten Schultern schob und auf den Boden fallen ließ.
Wenn ihn etwas in rasende Wut versetzen konnte, dann war das, wenn jemand voller Grau en seine Narben anstarrte. Sein Stolz ließ nicht zu, dass jemand erfuhr, welche Qualen er ausgestanden hatte, nachdem das Schott ihn unter sich begraben hatte. Nicht auszudenken, wenn er auch bloß eine Spur von Mitleid, das ihm galt, an anderen wahrnahm. Er wollte lieber gehasst als bemitleidet werden.
Anstatt ihn mit hohlen Worten zu beruhigen, es würde ihr nichts ausmachen, welchen Anblick er ihr nackt bot, knipste sie die Lampe aus und überließ es ihm, sich weiter auszukleiden.
„Danke.“
Minuten später – oder waren inzwischen Stunden vergangen? – lag er da wie ein Toter. Es war ihm gleichgültig. Für ein solches Erlebnis zu sterben, schien ihm in diesem Moment wirklich kein zu hoher Preis zu sein. Unter Aufbietung seiner letzten Kräfte legte er einen Arm um Alicia. Er fühlte sich schwach wie ein Baby und schwankte zwischen einer gewissen Verlegenheit darüber, derart die Kontrolle verloren zu haben, und einem Schwindel erregenden Gefühl nie erlebten Glücks.
„Gütiger Gott, ich glaube, ich bin im Himmel.“ Er öffnete blinzelnd die Augen, als er spürte, wie sich Alicia dichter an ihn kuschelte. „Ist dir kalt?“
„N ein.“ Sie wollte ihm einfach noch etwas näher sein.
Er richtete sich auf und st ützte seinen Kopf auf einen Arm, wobei er ihr einen schläfrigen Blick zuwarf.
„Ich … war es …“ Er hielt inne und strich sich mit einem schiefen Grinsen das wirre Haar aus der Stirn.
„Habe ich dir … “, versuchte er es erneut, nicht weniger stammelnd als zuvor. „War es … schön für dich?“
Sie ließ sich nicht anmerken, wie überrascht sie von seiner Frage war. Für einen selbstbewussten Mann mit seiner Erfahrung klang er merkwürdig unsicher. Sie schaute zu ihm auf und entdeckte ein heißes Glitzern in seinen Augen. Er lächelte, jenes betörende Lächeln, das sie so an ihm liebte. Und welches er viel zu selten zeigte.
Sie zuckte mit den Schultern und es klang wie eine Entschuldigung, als sie flüsterte: „Mir fehlen die Worte.“
Was durchaus der Wahrheit entsprach. Es war schwierig, nach heißem, unermüdlichen Stirb-den-kleinen-Tod-Sex eine einigermaßen vernünftige Unterhaltung zu führen, da ihre Gehirnzellen nach wie vor ausgeschaltet waren. Lediglich ihre Sinne arbeiteten auf Hochtouren, eine absolut neue Erfahrung für Alicia. Als er sie das erste Mal geliebt hatte, damals, nach dem Vorfall auf dem Hügel, war es ihr so vorgekommen, als würde sie den Verstand verlieren. Und nachdem sie sich heute erneut geliebt hatten, war sie nicht einmal mehr sicher, ob sie ihren Verstand wiederhaben wollte.
„Heißt das ja?“
Ihr Körper war in völlig neue Dimensionen vorgedrungen. Manuel Adrian Patrick würde schwer zu überbieten sein. Und das machte ihr mit Blick auf die Zukunft ein klein wenig Angst. Ihre Hand glitt über die wie gemeißelt wirkenden Muskeln seiner Brust, die unter ihrer Berührung vibrierten.
„Natürlich ja. Was denn sonst?“
„ Und warum weinst du, mo leannán ?“
„Ich weine doch gar nicht.“ Ihren Worten zum Trotz schien ihre Stimme auf einer Träne auszurutschen.
„Warum?“
Deinetwegen! Am liebsten hätte sie es laut aus sich heraus geschrien, derart stark waren ihre Empfindungen. Er hatte sie umgehauen.
„Sag es mir.“
Weil ich dich brauche! Worte wie diese und noch viel entsetzlichere formten sich in ihrem Kopf und drängten darauf, über ihre Lippen zu schlüpfen.
Und dann? Was, wen n sie ihm ihr Herz öffnete? Was würde er wohl mit ihrem Herzen machen? Er wollte es nicht haben, ebenso wenig wie all die anderen Männer vor ihm. Nicht, dass es viele gegeben hätte, denn in ihrem Leben blieben die Menschen nicht. Sie hatte es akzeptiert. Oder hatte zumindest bis zu diesem Zeitpunkt versucht, es klaglos hinzunehmen. Wenn sie sich jetzt allerdings vorstellte, ohne ihn zurück nach Paris zu gehen, spürte sie eine unerträgliche Leere.
Sie brachte die Worte nicht heraus. Sie hatte zu viel Angst.
Zwar sagte ihr Herz, dass sie ihm vertrauen konnte, aber sie wagte nicht, darauf zu hören. Sie durfte nicht zulassen,
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