Der Erbe von Sean Garraí (Das Kleeblatt)
Südspitze Amerikas zu passieren.“
„Und wo ist dein Ohrring?“
Mit einem Ruck setzte er sich auf und funkelte sie böse an. „Wusst’ ich’s doch! Du bist gar nicht so ahnungslos, wie du tust.“
„ Nun reg dich nicht gleich wieder dermaßen künstlich auf. Es war lediglich eine Frage. Aber lass gut sein, ich kann mir die Antwort schon denken. Vermutlich hast du dir nur deswegen keinen Ring verpassen lassen, weil du es keinesfalls Matthias gleichtun wolltest. Lieber hast du auf den Ruhm und die Ehre verzichtet, die die Umsegelung des Kaps mit sich bringen. Ist es nicht so? Du warst immer darauf bedacht, alles zu vermeiden, was andere veranlasst hätte, dich mit ihm zu vergleichen. Bloß eins musst du mir verraten: Wieso bist du ebenfalls Seemann geworden? Ist das nicht ein Widerspruch?“
„Nein. Ne in, das würde ich nicht sagen.“
Er hievte sich aus dem Bett und bemerkte nach den ersten Schritten, dass seine Beine sich wie Pudding anfühlten. Er schüttelte verwundert den Kopf und lachte leise. „Ich bin aus der Übung“, murmelte er und zog sich seine Hose über die nackte Haut. „Weiß Gott, ich bin völlig außer Übung. Weißt du, meine Mutter und auch mein Vater, mein richtiger Vater, sind zur See gefahren. Es hatte also nicht das Geringste mit Matt’n zu tun, als ich mich für diesen Beruf entschieden habe. Möchtest du etwas trinken?“
„Gute Idee.“
Zwei Gläser und eine Flasche Wein in der Hand kam er in Alicias Schlafzimmer zurück.
„ Willst du mich betrunken machen? He, wo willst du denn hin?“
Nicht flüchten, sondern lediglich zwei weitere Flaschen holen, die er vor der Tür abgestellt hatte.
„ Vielleicht wird es eine lange Nacht, wer weiß? Außerdem will ich doch mal sehen, ob du mit Alkohol im Blut anfängst, schweinische Witze zu erzählen, oder ob du eher ins Sentimentale abdriftest.“
„Und was, wenn ich aggressiv werde und mich wie ein Tier über dich hermache? Alle Hemmungen fallen lasse? Dich … benutze, bis du völlig ausgelaugt bist?“
„Dann l ass uns schleunigst anfangen, damit wir es herausfinden.“
Obwohl sie sich die größte Mühe gab, leise zu sein, blickte sie in seine hellwachen Augen, als sie aus dem Bad zurückkam. Unschlüssig blieb sie stehen und wusste nichts zu sagen.
„Es ist noch früh“, bemerkte er mit vom Schlaf rauer Stimme.
„Ich hatte auch nicht vorgehabt, schon aufzustehen, obwohl es natürlich … vielleicht …“ Sie zuckte vage mit der Schulter und ein zarter Hauch verlegener Röte legte sich auf ihre Wangen.
Ma nuel nickte kaum merklich. Es war ihr vermutlich lieber, er würde ihr Bett und ihr Zimmer verlassen, bevor das Haus erwachte und von seinem neuerlichen nächtlichen Ausflug erfuhr.
„Ich habe mir bloß ein Glas Wasser geholt. War wohl ein bisschen zu viel Wein im Laufe der vergangenen Nacht.“
„ Ich wollte allen Ernstes wissen, wie du darauf reagierst. Allerdings war ich nicht darauf gefasst, dass dich Albträume heimsuchen. Was ist es, was dich quält?“
„ Albträume?“, echote sie und die Verwunderung in ihrer Stimme klang echt. „Wovon redest du?“
Er richtete sich auf und stützte den Kopf auf seinen angewinkelten Arm. „Willst du mir weismachen, ich würde Gespenster sehen? In jeder Nacht, die wir zusammen verbringen? Hältst du mich für dermaßen beschränkt?“
„ Unterstelle mir nicht so was. Ich tue weder das eine noch das andere. Ich weiß nur nicht … Ich erinnere mich in den seltensten Fällen, was ich in der Nacht geträumt habe. Tut mir leid, wenn dir das nicht passt.“
„ Alicia, dein Gesicht war klatschnass. Du hast geweint und um dich geschlagen, als müsstest du dich gegen jemanden zur Wehr setzen. War es … wegen dem … wegen der Sache auf dem Hügel?“
„Ich weiß es nicht. Ich erinnere mich nicht.“
Noch immer nicht überzeugt von ihrer Behauptung erkundigte er sich mit einem lauernden Unterton in der Stimme: „Sagt dir der Name Stojkow etwas? Stojkow und dann hast du außerdem einen Marquess erwähnt.“
„Grafen kenne ich“, versuchte sie zu scherzen . „Ein Marquess dagegen erscheint mir nun wirklich eine Nummer zu groß.“
Doch dann wich m it einem Schlag alles Blut aus ihrem Gesicht. Aus großen Augen blickte sie zu Manuel, ohne ihn wahrzunehmen, starr vor Schreck vergaß sie zu atmen, zweimal, dreimal, bis er aus dem Bett sprang, sie an den Armen packte und schüttelte. Das Glas Wasser glitt ihr aus der Hand. Plötzlich verdrehten sich ihre
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