Der Erl�ser
sehen.
In einer der Uniformen erkannte Harry Sivert Falkeid. Er ging zu ihm.
»Ich wusste nicht, dass auch Delta mobilisiert worden ist. «
»Wurden wir auch nicht«, sagte Falkeid. »Ich habe auf der Kriminalwache angerufen und gefragt, ob wir helfen können. Er war dein Partner, stimmt’s?«
Harry nickte, nahm die Zigaretten aus der Innentasche und bot Falkeid eine an, der schüttelte aber den Kopf.
»Jon Karlsen ist noch nicht aufgetaucht?«
»Nein«, sagte Falkeid. »Und wenn der Ministerpräsident da ist, lassen wir niemand mehr in die Ehrenloge.« Im gleichen Moment fuhren zwei schwarze Limousinen auf dem Platz vor. »Wenn man vom Teufel spricht «
Harry sah, wie der Ministerpräsident ausstieg und rasch ins Konzerthaus geleitet wurde. Als sich die Eingangstür öffnete, konnte Harry auch einen kurzen Blick auf das Empfangskomitee werfen. Er sah einen breit lächelnden David Eckhoff und eine kaum lächelnde Thea Nilsen, beide in der Uniform der Heilsarmee.
Schließlich gelang es Harry, seine Zigarette anzuzünden.
»Verdammt, ist das kalt«, sagte Falkeid. »Ich hab kein Gefühl mehr in den Beinen, und mein Gesicht ist auch schon fast taub.« Ich beneide dich, dachte Harry.
Als er die Zigarette zur Hälfte geraucht hatte, sprach er es laut aus: »Der kommt nicht.«
»Sieht so aus. Dann können wir nur hoffen, dass er Karlsen nicht schon gefunden hat. «
»Ich rede von Karlsen. Der hat kapiert, dass das Spiel aus ist.«
Falkeid musterte den hochgewachsenen Kommissar. Bevor die Gerüchte über seinen Alkoholmissbrauch und seine Unzuverlässigkeit aufgekommen waren, hatte er in ihm einen potenziellen Delta-Kandidaten gesehen. »Was für ein Spiel?«, fragte er.
»Ach, das ist eine lange Geschichte. Ich gehe jetzt rein. Sollte Jon Karlsen doch noch kommen, muss er sofort festgenommen werden.«
»Karlsen? « Falkeid sah völlig verwirrt aus. »Und was ist mit Stankic?«
Harry ließ die Zigarette los, die vor seinen Füßen zischend in den Schnee fiel.
»Ja«, sagte er langsam, und dann, wie zu sich selbst: »Was ist mit Stankic?«
*
Er hockte im Halbdunkel und fingerte an dem Mantel herum, den er sich über den Schoß gelegt hatte. Aus den Lautsprechern drang leise Harfenmusik. Die Scheinwerfer schwenkten kleine Lichtkegel über das Publikum, was vermutlich die Spannung und die Vorfreude auf die kommenden Ereignisse auf der Bühne steigern sollte.
Als eine Gruppe von zwölf Personen auftauchte, kam Bewegung ins Publikum in den Reihen vor ihm. Jemand wollte aufstehen, doch es wurde geflüstert und getuschelt und schließlich hatten alle wieder Platz genommen. In diesem Land schien man offenbar nicht viel von dieser Form der Ehrerbietung gegenüber seinen gewählten politischen Führern zu halten. Die Gruppe wurde drei Reihen vor ihm eingewiesen, wo sie auf den Sitzen Platz nahmen, die während der letzten halben Stunde frei geblieben waren.
Er sah einen Mann mit Anzug, der einen Knopf im Ohr hatte,aber keine uniformierten Polizisten. Auch das draußen postierte Polizeiaufgebot war nicht sonderlich beunruhigend. Er hatte mit mehr Leuten gerechnet, schließlich hatte Martine ihm erzählt, dass der Ministerpräsident kommen würde. Andererseits – was spielte es für eine Rolle, wie viele kamen? Er war unsichtbar. Noch unsichtbarer als sonst. Zufrieden sah er sich um. Hunderte von Männern trugen hier Smoking. Er konnte sich das Chaos bereits ausmalen. Und seinen einfachen, aber effektiven Rückzug. Er war tags zuvor bereits im Konzerthaus gewesen und hatte sich für einen Fluchtweg entschieden. Und bevor er heute Abend in den Saal gegangen war, hatte er sich noch einmal vergewissert, dass niemand die Fenster auf der Herrentoilette verriegelt hatte. Die einfachen Milchglasscheiben ließen sich zur Seite schieben und waren groß genug und niedrig genug platziert, um von dort einfach und rasch auf das davorliegende Gesims zu kommen. Von dort galt es dann nur noch drei Meter nach unten auf eines der Autos zu springen, die auf dem Parkplatz standen. Dann musste er den Mantel anziehen und die belebte Haakons VII’s gate erreichen. Wenn er sich beeilte, brauchte er zwei Minuten und vierzig Sekunden, bis er im Bahnhof Nationaltheater auf dem Gleis stand, von dem aus alle zwanzig Minuten der Zug zum Flughafen abfuhr. Er hatte den Zug um 20.19 Uhr anvisiert. Bevor er die Toilette verlassen hatte und in den Saal getreten war, hatte er sich zwei WC-Steine in die Tasche gesteckt.
Er hatte seine
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