Der Eunuch
Gleichzeitig war aber auch schon ihre erotische Neugier wach gewesen, der sich Elenas kindhaft schmalhüftiger und doch edel geschwungener Körper so willig dargeboten hatte. Aus der ästhetischen Freude an dieser Mischung von Schulmädchen und jungen Frau war dann die Erwiderung von Elenas begehrlicher Unterwürfigkeit durch eine echte Zuneigung erwachsen, die für Julienne durchaus keine Selbst verständlichkeit gewesen war.
Für Elena war sie es gewesen. Ihr hatte das Kloster seinen Stempel mit der Abneigung gegen das sündhafte Männliche und dem Bedürfnis nach einer angebeteten strengen Bußmutter eingeprägt. Den tiefsten, nicht mehr zu verwischenden Eindruck hatte Schwester Ingerina bei ihr hinterlassen, in deren Hände Elena in der Zeit ihrer beginnenden Pubertät geraten war. Diese kaum dreißigjährige Nonne -wie aus einer Ikone herausgetreten mit ihren langfingrigen Händen und ihren großen dunklen Augen im bleichgelben Gesicht - war schon ihres Aussehens wegen mit dem Nimbus einer besonderen Heiligkeit umkleidet gewesen. Dieses Ansehen hatte sich noch durch ihr häufiges Verlangen gestärkt, die Igumena möge ihr armen Sünderin doch um der Heiligen willen die Disziplin geben lassen. Daß sie an einem Lungenübel gelitten hatte und dadurch ihr Trieb ständig erhitzt gewesen war - derartige weltliche Erfahrungen hatten im Kloster natürlich keinen Eingang gefunden. Vielmehr war es als ein Zeichen für Schwester Ingerinas besondere Berufung für das Amt der Schulvorsteherin angesehen worden, daß aus ihrem Lehrzimmer stark und oft genug das Geschrei gezüchtigter Schülerinnen nach außen gedrungen war. Die erste Verfügung der neuen Präfektin hatte denn auch gelautet, daß niemand als nur sie selbst die kleinen und großen Mädchen über das Katheder legen dürfe, worauf sie sich mit Inbrunst dem Teil der Erziehung hingegeben hatte, der ihr der liebste gewesen war. Vielleicht war ihr Leben durch die Freude an dieser heilsamen Tätigkeit verlängert worden. Schließlich hatte sie aber doch in der standhaften Überzeugung, daß der Gezüchtigten Schreie der lieben Heiligen schönste Musik sei, sich selbst zu den Heiligen begeben müssen, deren himmlische Ohren durch sie mit täglichen Konzerten erquickt worden waren.
Für Elena war dieser Todesfall der Anlaß gewesen, in Bußübungen für das Seelenheil der angebeteten Lehrerin aufzugehen. Wenn ihre Familie sie nicht gerade noch rechtzeitig mit dem jungen Gika verheiratet hätte, wäre es durchaus möglich gewesen, daß die kleine Dame als Ingerinas Liebling allmählich deren Nachfolge angetreten hätte. So aber war durch die Ehe den Hoffnungen des Klosters ein Ende bereitet worden, und der Ehe wieder durch einen der vielen Inselstürme in der Ägäis, aus dem Kir Gika sich nicht hatte retten können.
Julienne, die diese Geschichte kannte und weder Nonne war, noch an Auszehrung litt, hatte ein wenig Angst davor, Schwester Ingerina allzu ähnlich zu werden. Elena fand immer Mittel und Wege, daß die Freundin sie im ehrlichen Ärger bestrafte. Julienne aber mußte sich gestehen, daß dieser Ärger jedesmal sehr schnell einem Mitleid zutrieb, dessen Wollust sie alles Bitten und Flehen ihrer Geliebten überhören ließ.
Zu gut ergänzten sich beide Damen, als daß Elena auch nur entfernt daran gedacht hätte, sich jemals von ihrer vergötterten Freundin zu trennen. Sie hätte mit Selbstmord gedroht und ihn vielleicht sogar begangen. Aber auch Julienne erkannte es dankbar an, daß die Lebensgemeinschaft mit einem Wesen, das mit jeder körperlichen Auseinandersetzung mehr in sie, Julienne, hineinwuchs, sie von Spannungen befreite, die sonst die Schärfe ihres Verstandes hätten trüben können, eines Verstandes, dessen sie so sehr in ihrem anderen Leben bedurfte, von dem Elena keine Ahnung hatte.
Nein ... nur keine Männer! dachte Julienne.
Aber...
„Woran denkst du?“
Es war Elena, die es fragte, und Julienne war es, als habe die Kleine sie schon eine Weile betrachtet. Eine Antwort aber erhielt sie trotzdem oder gerade deswegen nidit. Julienne zog sie nur näher an sich heran und fragte ihrerseits, wie sich die Freundin befinde.
„So gut, wie es eben sein kann“, sagte Elena und verzog ein wenig den Mund.
„Also nicht ganz gut?“ fragte Julienne und streichelte sie.
„Ich fühle es nodi“, sagte Elena, „aber das gehört sich auch so. Mir graust noch, wenn ich daran denke, was ich dir gestern alles gesagt habe.“ „Und mir graust auch vor
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