Der Ewige Widersacher
ägyptischen Hafenstadt Alexandria die Kelchtaufe erfahren, und wohl an die hundert Jahre hatte er sich den Weisungen seines Oberhauptes gefügt. Dann aber begann er Kritik zu üben an seiner Führung, erst nur hinter seines Blutvaters Rücken, dann ganz offen, und schließlich hatte er seine vampirischen Brüder und Schwestern zur Rebellion aufgerufen.
Der Kelchhüter war hinzugekommen, und man saß über Gadar zu Gericht. Das Urteil lautete auf Verbannung; er mußte Alexandria verlassen und durfte seinen Fuß nie mehr über die Grenzen seiner Heimatstadt setzen.
Die Kunde darüber verbreitete sich unter den Sippen in jenem Teil der Welt, und so fand Gadar auch nirgends sonst Aufnahme. Fortan zog er also umher, einem Geist gleich, den die Ruhelosigkeit umtrieb und zugleich verbat, irgendwo seßhaft zu werden.
Ein ebenso grausames wie unwürdiges Schicksal für einen Vampir. Wut wuchs und wucherte in Gadar, Zorn auf jene, die ihm das Joch solchen Daseins aufgezwungen hatten.
Und schließlich fraß der Haß so übermäßig in ihm, daß Gadar ihn nicht mehr allein auf die konzentrierte, die über ihn geurteilt hatte, sondern auf alle, die von ihrer Art waren - ein Vampir begann die Alte Rasse zu verabscheuen.
Und er sann auf Rache.
Allein, das wußte Gadar, würde er nicht die geringste Chance haben, einen wie auch immer gearteten Plan gegen das vampirische Volk auch nur im Ansatz umzusetzen.
Er brauchte einen Verbündeten. Jemanden, den die Alte Rasse aus gutem Grunde fürchtete.
Gadar brauchte -
- MICH.
*
Ich war zu jener Zeit dem Menschensohn auf der Spur, noch aber ohne ihn gefunden zu haben. Mein Weg führte mich in jeden Winkel Galiläas, und so kam ich eines Tages auch nach Gerasa am Ufer des Sees Genezareth.
Der Nazarener hatte die Stadt schon wieder verlassen, und seine Fährte verlor sich, als hätte der Wind sie verweht. Also blieb mir nichts anderes, als sie auf profanste Weise wiederzufinden: Ich mußte herumfragen unter den Gerasenern.
In sonderlicher Eile war ich nicht. Zeit spielte nie eine große Rolle für mich. Zudem konnte ich meinen Aufenthalt in Gerasa auch nutzen, um meine Saat auszubringen. So schloß ich auch hier den einen oder anderen Pakt, verpflichtete mir eine Handvoll Menschen, indem ich ihnen einen Wunsch erfüllte, auf daß sie mir im Gegenzug einen Gefallen zu tun versprachen, wann immer ich es wollte. Dazu sei gesagt, daß ich durchaus nicht immer auf eine Tat als Gegenleistung bestand; mitunter genügte mir auch eines Menschen Seele als Preis in solchen Händeln.
Darüber vernachlässigte ich mein vordringlichstes Ziel freilich nicht, und das hieß in jener Zeit eben, den Menschensohn zu finden.
Gasthäuser waren zu jeder Zeit die ergiebigsten Informationsquellen, und nicht anders war es in Gerasa. Ich mischte mich also in einer Schankstube unters Volk, ließ mir Wein auftragen und verhielt mich unauffällig. Daß meinem Ohr kein Wort entging, das im Raum gesprochen wurde, merkte niemand.
Man redete über mancherlei. Die einen verrieten hinter vorgehaltener Hand und dem Siegel der Verschwiegenheit - aber doch laut genug, daß wenigstens drei, vier Leute es mithörten -, was sie über andere erfahren hatten; einige sprachen davon, daß das Wetter ungewohnte Kapriolen schlug für diese Zeit des Jahres und die Ernte in der Folge kärglich ausfallen würde.
Und einige wiederum redeten über ihn.
Ich lächelte still in mich hinein.
An den Tischen, wo der Nazarener Gesprächsthema war, herrschte ein anderer Ton als an den übrigen. Ehrfurcht klang in den Stim-men jener Leute mit, aber auch fast fiebrige Begeisterung. Obwohl er Gerasa vor Tagen schon verlassen hatte, stand noch jeder, der ihm begegnet war, in seinem Bann, und niemand hatte kaum eines seiner Worte vergessen; daß allerdings so manches nicht gesagte hinzuerfunden wurde, daran zweifelte ich nicht ...
Der Nazarener hatte Kranke geheilt, hieß es. Verstand man es, zwischen den Worten der Erzählenden zu hören, wurde klar, daß der Menschensohn nichts anderes getan hatte, als Hoffnung in den Kranken zu wecken und ihren Willen zur Gesundung zu stärken. Was dennoch wundersam genug war, denn kein anderer hatte dies vor ihm vermocht.
In einer Runde tat ein junger Bursche kund, daß er Gerasa zu verlassen plante, um dem Nazarener nachzufolgen. Er wollte mehr von ihm hören und hoffte darauf, die Botschaft Gottes in ähnlicher Weise verkünden zu können, wenn er dem Menschensohn nur lange genug lauschte. Und
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