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Der Fälscher aus dem Jenseits

Der Fälscher aus dem Jenseits

Titel: Der Fälscher aus dem Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
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die Polizei.
    Unterdessen kehrte René Pigaglio mit dem Komplizen Henri Voix und seiner Geliebten Lucette Almeras zurück. Zu Recht hielt es Pigaglio für gefährlich, länger zu bleiben. Darum machten sich alle auf, um einen neuen Zufluchtsort zu suchen. Den fand man in Chamonix in dem Chalet »Le Vieux Logis«, das der ehemalige Bürgermeister Chatou vermietete. Stavisky bezog es diskret. In seinem neuen Versteck gab er sich jedoch keinen Illusionen hin. Die Zeitungen sprachen nur von ihm. Sehnsuchtsvoll schnitt er aus den Titelseiten alle Fotos von Arlette aus.
    Tatsächlich nahte das Ende. In Servoz hatte ihn die Polizei nur knapp verpasst und war ihm nun auf der Spur. Kommissar Charpentier, der die Suche leitete, hatte erfahren, dass ein großer Koffer mit den Initialen S.A. nach Chamonix geschickt worden war. Am 8. Januar war er sich sicher, dass sich der Flüchtling im »Vieux Logis« versteckte.
    Um zwei Uhr mittags wurde das Haus von Gendarmen umstellt. René Pigaglio, Henri Voix und Lucette Almeras waren einkaufen gegangen. In Begleitung des Hausbesitzers Chatou öffnete Kommissar Charpentier die Tür mit dem Schlüssel. Das Haus, das nur aus dem Erdgeschoss bestand, war leer, mit Ausnahme eines abgesperrten Zimmers. Statt gleich dort einzudringen, schickte der Kommissar einen Inspektor zusammen mit Monsieur Chatou los, um den Keller zu durchsuchen. Eine sehr gründliche Suche, da sie fast anderthalb Stunden dauerte. Dann kamen die beiden Männer endlich wieder nach oben. Kommissar Charpentier, der mit Paris telefonierte, legte auf. Er ging zur abgeschlossenen Tür und klopfte an. Auf der anderen Seite rief eine Stimme: »Wer ist da?«
    »Aufmachen! Im Namen des Gesetzes!«
    Als einzige Antwort hörte man einen Schuss. Zwei Gendarmen schlugen eine Fensterscheibe ein, um von außen einzudringen, und schlossen danach auf. Ein fürchterliches Schauspiel bot sich ihnen. Auf dem Bettvorleger lag Stavisky mit zerschmettertem Schädel in einer Blutlache. Neben ihm ein 6,35er-Revolver. Auf dem Nachttisch ein Abschiedsbrief an Arlette.
    »Meine geliebte Frau,
    ich hätte dich gern in einer besseren finanziellen Lage zurückgelassen, aber du bist fleißig und kannst einen kleinen Laden aufmachen, der genug abwirft, um die Kinder anständig großzuziehen. Wenn ich bedenke, dass ich so viel Geld besessen habe und dich nun in einer so schwierigen Situation zurücklasse, ist das nur ein Grund mehr, um endgültig zu verschwinden...«
    In der Öffentlichkeit gab es einen gewaltigen Skandal. Die Zeitung L’Actionfrançaise veröffentlichte Briefe von Minister Dalimier, in denen dieser empfahl, die Kassenscheine von Bayonne zu zeichnen. Dalimier trat zurück und kurz darauf folgte ihm die ganze Regierung Chautemps.
    Von Tag zu Tag weitete sich der Skandal aus. Man fand heraus, dass der Pariser Abgeordnete Bonnaure pro Monat fünftausend Franc von Stavisky an Schmiergeldern bekommen hatte. Auch andere Abgeordnete wurden überführt: natürlich Garat, der Bürgermeister von Bayonne, aber auch Hulin, Proust, Hesse und der Senator René Renoult. Die Presse veröffentlichte auch einen Brief von Charles Wurtz, in dem sich der Ehrenpräsident des Staatsrates bei Stavisky beklagte, weil er sein Honorar zu gering fand.
    Die von dem Betrüger erschwindelten Summen überstiegen jedes Vorstellungsvermögen. Allein das Geschäft in Bayonne hatte angeblich 160 000 000 Franc (heute etwa 90 000 000 Euro) eingebracht. Wäre das ungarische Geschäft zustande gekommen, hätte es eine fünf Mal größere Summe abgeworfen.
    Hatte Stavisky wirklich Selbstmord begangen? In der Öffentlichkeit glaubte praktisch niemand daran. »Ein sehr bequemer Tod«, lautete die Schlagzeile des Figaro, als die Zeitung über das Drama berichtete. Der Canardenchaîné ironisierte hingegen in seinem typischen Stil: »Stavisky beging Selbstmord, indem er sich aus drei Meter Entfernung eine Kugel in den Kopf schoss. Der hatte wirklich einen langen Arm!«
    Das war zwar eine brillante Formulierung, aber leider war sie falsch. Die Kugel wurde nicht aus drei Meter Entfernung, sondern aus nächster Nähe abgefeuert. Das Seltsame war eigentlich die Geschossbahn, die darauf hindeutete, dass Stavisky im Sitzen geschossen hatte. Dabei war im ganzen Raum kein Stuhl vorhanden gewesen. Außerdem schwor seine Frau Arlette, dass er nie einen Revolver besessen habe, wobei allerdings ihre Zeugenaussage nicht zuverlässig war. Am verdächtigsten war im Grunde das Verhalten der

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