Der Fälscher aus dem Jenseits
kaum von einer echten Rechnung unterscheiden konnte.
Dadurch brauchte die Kassenangestellte die Bestellung nicht als bindend einzutragen, da eine solche Rechnung nicht in der Buchhaltung registriert wurde. So konnte sie den Betrag, der vom Kunden entrichtet wurde, auf ihr eigenes Konto einzahlen. Der Kunde, der glaubte, eine offizielle Rechnung in Händen zu halten, hatte keinen Grund, dagegen zu protestieren. Bei der Inventur vermerkte man die Artikel, die seltsamerweise nicht mehr auf Lager waren, unter der Rubrik »Verluste und Gewinne«. Die gewissenlose Kassenangestellte war schlau genug, nur bestimmte Artikel zu berücksichtigen: jene, die kaum eine Reklamation nach sich zogen oder selten den Kundendienst erforderten.
Die gerissene Malvina hatte jedoch nicht vorausgesehen, dass eines Tages, trotz allem, ein mäkelsüchtiger Kunde wegen eines Artikels reklamieren und die Rückerstattung seiner Zahlung verlangen würde. Auf einen Schlag zerriss das ganze Betrugsnetz und die Kassenangestellte befand sich plötzlich in einer gefährlichen, unsicheren Lage. Sie unternahm nun etwas, was wenige in einem solchen Fall tun würden. Sie wandte sich an einen Anwalt, einen Bekannten, und erzählte ihm alles haargenau. Sie hatte eine gute Wahl getroffen, denn der Anwalt erteilte ihr einen sehr weisen Rat. Sie solle sich ans nächste Polizeirevier wenden und alles gestehen. Und genau das tat Malvina dann auch. Was hatte das für einen Vorteil, werden Sie fragen. Warum leugnete sie nicht einfach alles und spielte die Unschuldige, die einen Fehler gemacht hatte?
Ganz einfach deswegen, weil Monsieur Bénichou, nachdem er das Geheimnis gelüftet hatte, sofort nach Feststellung des beträchtlichen Schadens erkannte, dass Malvina eine Art Spezialistin für »gefälschte Rechnungen« war. Trotz seines Familiensinns erstattete er Anzeige gegen seine Cousine. Als der Richter darüber entscheiden musste, fiel es dem gerissenen Anwalt von Malvina nicht schwer zu beweisen, dass seine Mandantin auf dem Weg der Besserung sei, da sie bereits vor der Anzeige der Polizei alles gestanden hatte. Damit hatte sie einen ausgezeichneten Stand und der Richter konnte angesichts der reumütigen Angeklagten nur Milde walten lassen. Malvina wurde zu einer Strafe auf Bewährung verurteilt. Doch musste sie das gesamte Geld, das sie der Kasse entnommen hatte, zurückzahlen. Dabei verlangte man nichts Unmögliches von ihr, sondern verurteilte sie nur dazu, monatlich neunhundert Franc (etwa einhundertfünfzig Euro) abzuzahlen, bis die Summe getilgt war, was in etwa zehn Jahren sein würde. Da sie ihre Stellung behielt, war sie in der Lage, ihre Schulden zu zahlen.
Malvina zahlte pflichtgetreu... sechs Monate lang. Also insgesamt fünftausendvierhundert Franc (etwa neunhundertzwanzig Euro). Dann war sie eines Tages verschwunden. Sicherlich hatte sie einen neuen Posten als Kassenangestellte gefunden. Vielleicht sogar bei einem Versandhandel. Monsieur Bénichou blieb mit einem Fehlbetrag von zweihundertfünfzigtausend Franc (etwa zweiundvierzigtausendsechshundert Euro) in der Kasse zurück und sagte sich jeden Tag aufs Neue: »Ich hasse die Familie.«
Der Schmuggel mit Uranium
Obwohl der Sommer 1950 wunderschön war, langweilte sich Baron Michel de Rosier zu Tode. Dabei besaß er alles, was man sich nur wünschen konnte. Er war um die dreißig und sah so gut aus, dass er jederzeit hätte Schauspieler werden können. Als Filmpartnerin hätte seine atemberaubend schöne Frau Rosita, eine Südamerikanerin, hervorragend zu ihm gepasst. Und zu allem Überfluss war der Baron auch noch reich, steinreich. Er besaß ein großes Haus in Paris, eine Traumvilla an der Côte d’Azur, außerdem Aktien und Mietshäuser.
Im Grunde langweilte sich Baron Michel de Rosier vielleicht sogar gerade deswegen. Er tat nichts, lebte nur von seinen Zinseinkünften. Im August 1950 verbrachte er den Urlaub in seinem Anwesen am Mittelmeer. Aber was bedeutete für ihn schon das Wort »Urlaub«? In der Sonne faulenzen statt in der Stadt zu faulenzen, Empfänge auf Yachten statt Empfänge in Salons, Nichtstun im weißen Smoking statt Nichtstun im schwarzen Smoking...
Mein Gott, war das alles monoton! Michel de Rosier seufzte, während er an der Bar des Casinos von Monte-Carlo an einem Whisky-Soda nippte. Er hatte gerade mehrere zehntausend Franc verloren, allerdings allein, ohne Rosita, die Glücksspiele hasste. Fast beneidete er alle Arbeiter und Angestellten, die einen Chef
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