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Der Faenger im Roggen - V3

Titel: Der Faenger im Roggen - V3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. D. Salinger
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»Was
    soll das bedeuten?« fragte er.
»Nichts. Ich möchte dir nur dafür danken, daß du so ein gottverdammter Prinz bist, das ist
    alles«, sagte ich betont treuherzig. »Du bist ein Prachtmensch, kleiner Ackley, weißt du
    das?«
»Wie geistreich. Einmal wird dir jemand eine ordentliche Tracht-«
Ich hielt mich nicht damit auf, ihm zuzuhören. Ich machte die blöde Tür hinter mir zu und stand
    im Gang.
Alle schliefen oder waren ausgegangen oder übers Wochenende heimgefahren, und es war totenstill
    und niederdrückend im Gang. Vor Leahys und Hoffmanns Zimmer lag die leere Umhüllung einer
    Kolynos-Tube, und ich gab ihr ein paar Tritte mit meinen pelzgefütterten Pantoffeln, während
    ich auf die Treppe zu ging. Ich dachte, ich könnte unten nachsehen, was Brossard machte. Aber
    plötzlich änderte ich diese Absicht.
Ganz plötzlich beschloß ich, von Pencey wegzugehen - jetzt sofort, mitten in der Nacht, und
    nicht noch bis Mittwoch zu warten. Ich hatte einfach keine Lust mehr, noch länger da
    herumzuhängen. Es machte mich viel zu traurig und einsam. Ich wollte in New York in ein Hotel
    gehen - in irgendein billiges Hotel - und mich bis Mittwoch erholen. Am Mittwoch wollte ich
    dann ausgeruht und frisch bei Kräften heimgehen.
Wahrscheinlich bekamen meine Eltern erst am Dienstag oder Mittwoch Thurmers Nachricht, daß ich
    geflogen war. Ich wollte nicht heimkommen, bevor sie den Brief gelesen und verdaut hatten. Ich
    wollte nicht im ersten Augenblick schon dabeisein.
Meine Mutter kann sich sehr hysterisch benehmen. Wenn sie etwas erst einmal richtig verdaut
    hat, ist sie zwar gar nicht so übel. Außerdem hatte ich ein bißchen Ferien nötig. Ich war mit
    meinen Nerven vollkommen runter, ganz im Ernst.
Ich entschloß mich also, wegzugehen, ging in unser Zimmer zurück und machte Licht, um meine
    Sachen zu packen. Das meiste hatte ich schon gepackt. Stradlater wachte nicht einmal auf. Ich
    rauchte eine Zigarette und zog mich an und packte dann meine beiden Handkoffer. Das dauerte nur
    zwei Minuten. Ich kann sehr rasch packen.
Ein einziger Punkt deprimierte mich dabei. Nämlich die neuen Schlittschuhe, die mir meine
    Mutter erst vor ein paar Tagen geschickt hatte. Das bedrückte mich wirklich. Ich stellte mir
    vor, wie meine Mutter zu Spauldings gegangen war und dem Verkäufer einen Haufen törichte Fragen
    gestellt hatte, und jetzt flog ich schon wieder von dieser Schule. Das machte mich traurig. Sie
    hatte mir die verkehrten Schlittschuhe gekauft - ich wollte Rennschlittschuhe, und die hier
    waren für Hockey -, aber es machte mich trotzdem traurig. Fast jedesmal, wenn mir jemand etwas
    schenkt, endet es damit, daß ich traurig werde.
Als ich gepackt hatte, zählte ich mein Geld. Ich erinnere mich nicht mehr genau, wieviel es
    war, aber jedenfalls ziemlich viel.
Meine Großmutter hatte mir gerade vor einer Woche einen Haufen geschickt. Sie geht sehr
    großzügig damit um. Sie hat nicht mehr alle Tassen im Schrank - sie ist alt wie ich weiß nicht
    was - und schenkt mir mindestens viermal im Jahr Geld zum Geburtstag. Aber obwohl ich also
    reichlich versehen war, dachte ich, ein paar Dollar mehr könnten nichts schaden.
Man weiß nie. Deshalb ging ich zu Frederick Woodruff hinunter, dem ich meine Schreibmaschine
    geliehen hatte. Ich weckte ihn und fragte, wieviel er mir für diese Maschine zahlen würde. Er
    war sehr reich. Er sagte, er könne das jetzt nicht entscheiden. Er wolle sie eigentlich gar
    nicht kaufen.
Schließlich kaufte er sie doch. Sie hatte gegen neunzig Dollar gekostet, und er bezahlte nur
    zwanzig dafür. Er war schlechter Laune, weil ich ihn geweckt hatte.
Als ich mit allem fertig war, blieb ich mit meinen Koffern noch eine Weile an der Treppe stehen
    und warf einen letzten Blick auf den verdammten Gang. Dabei heulte ich sozusagen.
Ich weiß nicht warum. Ich setzte meine rote Jagdmütze auf, mit dem Schild nach hinten, so wie
    ich es am liebsten hatte, und schrie so laut ich konnte: »Schlaft gut, ihr Idioten!« Sicher
    wachten im ganzen Stockwerk alle auf. Dann machte ich mich davon. Irgendein Esel hatte die
    Treppe mit Erdnußschalen bestreut, so daß ich mir beinahe meinen verrückten Hals gebrochen
    hätte.

8. Kapitel
    Weil es zu spät war, um ein Taxi kommen zu lassen, ging ich den ganzen Weg zum Bahnhof zu
    Fuß.
Es war nicht weit, aber höllisch kalt. Man konnte im Schnee nicht gut gehen, und die Koffer
    stießen mir fortwährend an die Beine. Aber ich freute mich über die frische

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