Der Falke von Aryn
wie ein kleines Kind. Jetzt sage mir noch, warum du sie beeindrucken musst? Reicht es nicht, dass sie deine Gesellschaft schätzt und du sie zum Lachen bringen kannst?«
»Du hast leicht reden«, knurrte Raphanael. »Du hast nicht gesehen, was sie unten im Keller angerichtet hat.«
»Und sie nicht, was du der Uhr deiner Mutter angetan hast. Ganz zu schweigen von dem Kronleuchter«, lächelte Barlin. »Du kannst sie zum Lachen bringen. Ich bin bereit zu wetten, dass nicht viele dazu imstande sind. Zudem gilt es noch immer, den Falken zu finden. Also, fahren wir zur Garda.«
»Und Don Amos?«, fragte Raphanael und sah zu dem Gasthaus hin, als wolle er es mit bloßen Händen niederreißen.
»Er sagt, er wird sich melden«, meinte Barlin schulterzuckend. »Wenn er sicher ist, dass seine Falle dich halten kann. Vorher lässt er sich nicht darauf ein, er ist ein Feigling. Auch das letzte Mal hat er sich dir erst gestellt, als er den Vorteil auf seiner Seite glaubte. Vergiss ihn für den Moment. Wir kümmern uns um ihn, wenn es an der Zeit ist.«
Raphanael seufzte und zwang sich zur Ruhe. »Gut«, gab er dann nach. »Fahren wir zur Garda.«
Barlin wartete, bis Raphanael eingestiegen war, ließ die Pferde antraben und lachte leise. Dass die Majorin seine Lordschaft so aus dem Gleichgewicht bringen konnte, sprach in Barlins Augen nur für sie.
Das Schiff ohne Namen
31 Als das Schiff am späten Morgen in den Hafen eingelaufen war, hatte es einiges an Aufmerksamkeit erregt. Ein kleiner Zweimaster, scharf geschnitten, mit glänzenden, weiß polierten Flanken und einem Bug, der nur dafür geschaffen war, die Wellen wie ein Rasiermesser zu teilen. Die Form und Takelage dieses Schiffs war ungewöhnlich für seine Größe, es war ein Rahsegler, und jene, die es sahen und glaubten, sich ein Urteil darüber erlauben zu können, schworen, dass es diese Last an Segeln gar nicht halten könnte, dass eine steife Brise den schmalen Rumpf schon kentern lassen müsste, obwohl es die Überfahrt ganz offensichtlich unbeschadet überstanden hatte.
Es lag eine Stille über dem Schiff, für diese Takelage schienen zu wenig Seeleute an Bord, und die, die man sah, taten ihre Arbeit, ohne dass es jemanden gab, der auf der Brücke stand, keinen, der Befehle brüllte, nur dunkel gekleidete Männer, die wortlos taten, was getan werden musste, und dann unter Deck verschwanden. Selbst als der Lotse an Bord kam, fand er dort nur einen schweigsamen Mann am Steuer vor. Wem auffiel, dass das Schiff keinen Namen trug, wandte sich schaudernd ab, denn ein Schiff ohne Namen forderte das Schicksal heraus und trotzte den Göttern.
Das Schiff legte an einer selten genutzten Anlegestelle an, schweigsame Männer in dunkler Kleidung zurrten die Leinen fest und verschwanden unter Deck. Der Mann von der Hafenaufsicht kam an Bord, blieb nur einen Moment und ging, hastig, als wolle er den Ort so schnell wie möglich verlassen. Zwei Seeleute zogen die Planke ein, die das Schiff mit dem Land verband, seitdem hatte sich dort nichts gerührt. Es gab keine Ladung, die gelöscht wurde, auch wurde keine neue Ladung aufgenommen, der alte Kran, der dort stand, rührte sich nicht.
Es sollte noch gut zwei Stunden dauern, bis dieselben Seeleute, die sie eben eingezogen hatten, die Rampe wieder ausbrachten. Wenn es sie beunruhigte, dass sich die Planke kurz danach unter unsichtbaren Schritten bog, dann zeigten sie es nicht, sie standen nur still da und beobachteten den verlassenen Ankerplatz, den einzigen in Aryn, der in den letzten Jahren so wenig genutzt worden war, dass die meisten vergessen hatten, dass es ihn je gegeben hatte. Wäre jemand dort gewesen, er hätte sich vielleicht gewundert. Nur war niemand dort, denn das Tor, das zu dem alten Lagerhaus und der Anlegestelle führte, war seit Jahren schon verschlossen, und selbst das lebende Treibgut des Hafens zog es vor, den Ort nicht zu besuchen, es lag etwas Unheimliches an ihm, das sie davon abhielt, hier einen Unterschlupf oder ein Versteck zu suchen.
Als der große, breitschultrige Mann die Kabine des Eigners betrat und höflich den breitkrempigen Hut abnahm, sah er den Besitzer des Schiffes an den hinteren Fenstern stehen, ein Glas Branntwein in der Hand, und auf den verlassenen Anlegeplatz schauen.
»Ich würde zu gerne wissen, wie Ihr das macht«, sagte der Mann, bevor er sich umdrehte, um Mort mit einem Lächeln zu begrüßen. »Es braucht noch nicht einmal Wachen, damit sie den Ort in Ruhe
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