Der Falke von Aryn
Herrin?«
»Übernehme du hier. Du weißt, was am wichtigsten ist?«
»Jawohl, Major. Küche, Messe, Unterkünfte.«
»Lord Raphanael und ich wollen uns diesen Serrik holen«, erklärte sie dem frischgebackenen Offizier. »Hast du von den anderen noch etwas über euren alten Leutnant herausgefunden?«
Bosco schüttelte bedauernd den Kopf. »Ramina sagt, er hätte vor ihr damit angegeben, dass er sich Huren zu einem Haus außerhalb der Stadt hätte bringen lassen. Mehr weiß sie nicht. Emlich sagt allerdings, dass er Serrik zweimal oben am Tempelplatz mit einem der Hurenhüter hat sprechen sehen.«
»Ich will Emlich sprechen.«
Bosco rief quer über den Hof, und einer der Soldaten, die alte Möbel aus dem Fenster geworfen hatten, eilte herbei. Feldwebel Emlich war wohl der älteste der verbliebenen Gardisten, vielleicht so um die vierzig Jahre alt, mit einem sorgsam getrimmten Backenbart und grauen Schläfen. Lorentha hatte ihn kurz zuvor gesprochen, ihn gefragt, warum er geblieben war.
»Ich kann nichts anderes, Sera, und so hatte ich wenigstens ein Auskommen. Außerdem … jede schlechte Zeit geht irgendwann vorbei. Und Bosco ist ein guter Mann.«
Diese einfache Überzeugung des Mannes war etwas, um das sie ihn beneiden konnte, dachte Lorentha und nickte dem Feldwebel freundlich zu, als dieser Haltung vor ihr annahm.
»Erzähl mir von dem Hurenhüter, den du mit Serrik zusammen gesehen hast.«
»Der Kerl heißt Lesren, Major. Ein Pandare.«
Sie schaute fragend drein.
»Pandar ist ein Gebiet im Osten des Königreichs«, sprang Raphanael für den alten Soldaten ein. »Man unterstellt den Pandaren, dass jede Betrügerei und jeder üble Trick von ihnen erfunden wurde. Sie gelten als verschlagen und hinterhältig.« Raphanael schmunzelte. »Ich weiß nicht, ob sie es wahrhaftig sind, aber ein Freund kam mich besuchen, er sagte, er ritt dort durch ein Dorf, und als er auf der anderen Seite herauskam, fehlten ihm Beutel und Hut und dem Pferd alle vier Hufeisen. Er hatte etwas getrunken, es mag also sein, dass er übertrieb.«
Lorentha lachte, und auch Feldwebel Emlich schnaubte. »Das würde passen«, meinte er. »Aber Lesren ist schon in Manvare mit dem Gesetz über Kreuz gegangen, er hat seine eigene Mutter erschlagen. Er floh vor dem Sheriff in die Stadt, hat es gerade noch so über die Schwelle geschafft.«
»Und?«, fragte Lorentha verständnislos.
»Die Amtsgewalt des Sheriffs endet an der Schwelle des Stadttors«, erklärte Raphanael knapp.
»Warum hat man ihn nicht ausgeliefert?«
»Das hat mit dem Aufstand damals zu tun. Die Rädelsführer flohen aus der Stadt, und der König weigerte sich, sie den Kaiserlichen auszuhändigen.«
Emlich nickte. »Was dazu führte, dass auch wir stur wurden. Seitdem ist die Auslieferung untersagt.«
»Das bedeutet, jeder, der will, kann einfach durch das Stadttor gehen und sich so der Verfolgung entziehen?«, fragte Lorentha ungläubig.
»So ist es«, nickte der Feldwebel. »Lesren hat es weidlich ausgenutzt. Er ist eine fiese Ratte und genauso verschlagen, selbst die anderen Ratten oben am Tempelberg lassen ihn in Ruhe. Er hat einen üblen Ruf, und angeblich erfüllt er für seine Kunden jeden Wunsch … auch die schlimmsten, ohne dass es nachher Fragen gibt. Wer von seinen Huren sich dagegen sträubt, landet schnell im Hafen.«
Lorentha und Raphanael tauschten einen Blick. Es mochte das Schicksal dieser jungen Hure Marbeth erklären.
»Wenn ihr das doch alles wisst«, fragte Lorentha verständnislos, »warum habt ihr den Kerl dann noch nicht in Ketten geschlagen?«
»Emlich hat’s doch eben gesagt«, mischte sich Bosco ein. Er klang verärgert. »Dieser Lesren ist ein Saufkumpan von Mollmer und Serrik gewesen, würde mich nicht wundern, wenn sie an dem Geschäft beteiligt waren.«
»Oder sind«, sagte Raphanael leise.
»Oder sind«, nickte Lorentha und kaute an ihrer Unterlippe, bevor sie hoffnungsvoll zu Raphanael hinsah. »Vielleicht weiß dieser Lesren mehr.« Sie sah zur Sonne hoch. »Wir sollten ihn hochnehmen. Viel Zeit bleibt allerdings nicht dazu. Nach Einbruch der Dunkelheit dürfte es uns dort schwerfallen.«
»Heute findet Ihr ihn nicht, Major«, sagte Feldwebel Emlich respektvoll. »Geht morgen hin, denn morgen und übermorgen sind die Wochentage, an denen der Hauptmann und die anderen zu ihm hingegangen sind.« Er räusperte sich. »Ich habe eine Bitte, Major.«
»Sprich«, bat Lorentha Emlich.
»Hier das Haus aufzuräumen und Unkraut zu
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