Der Falke von Aryn
das.« Sie straffte ihre Schultern. »Wie wir beginnen? Wie man jeden Krieg beginnt. Mit Feder, Tinte und Papier. Wir rufen unsere Verbündeten zusammen. Heute Abend ziehen wir in die Schlacht.«
Mutter und Sohn
17 »Ich hörte, Ihr hättet am Nachmittag Gräfin Alessa besucht«, sagte Raphanael scheinbar nachlässig, als er seiner Tochter Arin den Stuhl zurechtrückte. Dann ging er zu dem Kopfende des Tischs, wo er sich setzte, während die Dienerschaft das Abendessen servierte.
»Ich kann mir schon denken, wer das Vögelchen ist, das mich verraten hat«, lächelte Sera Renera und warf ihrer Enkeltochter einen schelmischen Blick zu.
Arin zuckte nachlässig mit den Schultern. »Du hättest es mir sagen müssen, wenn es ein Geheimnis war, Granmaer.«
»Es war keines, Arin«, meinte Raphanaels Mutter und hob fragend eine Augenbraue, als die Dienerschaft fast schon eilig den Salon verließ. Nur Barlin blieb und fing an, mit unbewegtem Gesicht der Herrschaft aufzulegen, allerdings kannte Sera Renera ihn schon, seitdem er kniehoch zu einem Grashüpfer gewesen war, und auch das erheiterte Glitzern in seinen Augen.
»Ist das nicht ein wenig unter deiner Würde, Barlin?«, fragte sie, als er ihr auflegte.
»Heute nicht, Tante«, antwortete er und erlaubte sich ein leichtes Lächeln. »Ihr wisst doch, dass Raphanael sich nicht vor der Dienerschaft mit Euch streiten will.« Raphanaels Freund war in keinster Weise mit ihr verwandt, aber die beiden waren schon so lange unzertrennlich, dass es sich eingebürgert hatte, dass er Raphanaels Mutter so nennen durfte. Soweit Barlin wusste, war er damit auch der Einzige. Sie waren beide von Raphanaels Lehrern unterrichtet worden, und weder sie noch ihr Gemahl hatten einen Unterschied darin gemacht, auf welchem Hosenboden der Rohrstock tanzen sollte, wenn die beiden wieder einmal etwas ausgefressen hatten. Er gehörte zur Familie, und sie war froh darum, dass ihr Sohn jemanden zum Freund hatte, dem er rückhaltlos vertrauen konnte. So wie sie es sah, gab es dabei nur ein einziges Problem, die beiden hielten noch immer zusammen wie Pech und Schwefel.
»Ist es, weil ich Cerline besucht habe, Sohn?«, fragte Renera unschuldig, während Arin interessiert zwischen ihrem Vater und ihrer Großmutter hin und her schaute. Arin war acht Jahre alt und hatte, wie Raphanael immer wieder gerne sagte, das Beste von beiden Eltern und die Schönheit ihrer Mutter geerbt. Auf jeden Fall entging ihr genauso wenig wie früher ihrem Vater, und sie schien die regelmäßigen Duelle zwischen ihrem Vater und seiner Mutter zu genießen. Was, wie sich schon jetzt zu zeigen begann, nur dazu führen konnte, dass er in naher Zukunft von ihr seine eigenen Argumente zu hören bekommen würde. Oder die seiner Mutter, wenn diese besser waren. Raphanael zwinkerte ihr zu und ging dann ins Gefecht.
»Nein«, antwortete er lächelnd und nickte dankend, als Barlin zuletzt auch ihm auflegte und sich schließlich, völlig unerhört, selbst ein Gedeck auftat und sich grinsend neben Arin mit an den Tisch setzte. »Es ist wegen Lorentha, und weil du nicht bis zum Ball warten konntest.«
»Nun«, meinte seine Mutter gelassen, »wenn die Leute schon denken werden, dass Ihr eine Liebschaft habt, dann ist es doch verständlich, dass ich wissen will, wie sie ist.«
Raphanael bemerkte sehr wohl, wie bei dem Wort »Liebschaft« die Ohren seiner Tochter größer wurden, und unterdrückte einen Seufzer. »Cerline sagte, sie hätte dich aufsuchen wollen«, sagte seine Mutter und schnitt ein hauchdünnes Stück der Bratenscheibe ab, ohne den Blick von ihrem Sohn zu wenden. »Ich war überrascht, dachte ich doch, Ihr würdet Euch erst heute Abend kennenlernen. Hat sie etwas erwähnt?«
»Nur, dass du sie wie ein Zuchtpferd studiert hättest, um mich ihr dann anschließend wie einen Zuchthengst anzupreisen. Du hattest mir versprochen, dass du mich nicht verkuppeln willst.«
»Waren das ihre Worte?«, fragte sie kühl.
»Nein, meine«, antwortete Raphanael. »Ich habe es nur etwas mehr verdichtet.« Ein leichtes Lächeln huschte über seine Lippen. »Sie hat es dir nicht übelgenommen, vielmehr machte sie einen Scherz daraus und hat mich damit sogar etwas gefoppt. Doch ich nehme es dir übel, Mutter.«
»Ich spielte mit dem Gedanken, dass sie vielleicht die Richtige für dich wäre«, gab seine Mutter offen zu, während Arins Augen einen gewissen Glanz bekamen, den Raphanael bereits zu fürchten gelernt hatte. Andere Familien
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