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Der Fall Carnac

Der Fall Carnac

Titel: Der Fall Carnac Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel-Aimé Baudouy
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weiter nichts, ein bißchen Pfützenwetter«, sagte Ludwig, »das geht bald vorüber.«
    Alle Augenblicke zog sich eins von den Kindern den Regenmantel an und lief hinunter auf die Straße in der Hoffnung, die Zeltbewohner vorüberkommen zu sehen. Doch dieses Wetter verlockte niemand zu Spazierfahrten. Nur Wagen brausten durch die aufspritzenden Pfützen.
    Da die Kinder so aufs Haus beschränkt waren, wurde ihnen die Zeit bald lang. Line schlug den Zwillingen vor, mal einen Blick in die Schulbücher zu werfen, die sie mitgebracht hatten.
    Genoveva schlug den Atlas auf und fing an, über den Karten zu träumen.
    Gerhard machte sich an eine Rechenaufgabe, in der sich Radfahrer einer Prüfung bei einer Fahrt bergauf unterzogen. Er führte die Aufgabe so rasch aus, daß die Angelegenheit in zehn Minuten erledigt war: der Sieger fuhr mit der phantastischen Geschwindigkeit von 107,983 Kilometern.
    Das gab ein schönes Geschrei, als er das Ergebnis mitteilte. Peter und Ludwig sagten, er solle keinen faulen Witz machen. Doch als er behauptete, er habe richtig gerechnet und alle Proben gemacht, die sein Ergebnis bestätigten, stürzten sich die Älteren selbst über die Aufgabe.
    Und genau das hatte Gerhard vorausgesehen. Während Peter und Ludwig den Wortlaut der Aufgabe noch einmal lasen, schob sich Gerhard zur Tür und machte Kikri einen Besuch.
    Einige Augenblicke später hatte er seine Rechenaufgabe vergessen und kehrte, von dem Hahn begleitet, zurück, der sehr glücklich war, Gesellschaft zu finden. Und die Gesellschaft war recht glücklich, Kikri wiederzusehen, den sie fast vergessen hatten.
    »Ihr habt uns Kikris Geschichte noch gar nicht erzählt«, sagte Line. »Wie ist er zu euch gekommen?«
    »Er ist ein Sohn der Tauben«, erwiderte Anne.
    »Der Tauben?«
    »Ja, spaßig, nicht wahr? Stellt euch vor, eines Tages fand Ludwig im Park ein Huhn, das sich ein Bein oder sonst was gebrochen hatte. Jedenfalls konnte es nicht laufen. Er nahm es also auf, trug es zum Haus, und als es Abend wurde, sagte Mama, er solle es ins alte Hühnerhaus setzen, in dem unsere Tauben untergebracht sind. Am nächsten Tag brachten wir das Huhn seinem Eigentümer zurück, Herrn Lefur, einem Rentner, der sich mit Hühnerzucht beschäftigt.
    Nun vergingen einige Wochen, und eines schönen Tages, als ich die Tauben mit Korn fütterte, sah ich ein hübsches kleines Küken, ganz gelb, das mitten im Hühnerhaus zwischen den Tauben piepste.
    Und das war Kikri.«
    »Ich verstehe«, entgegnete Gerhard, »das Huhn hatte den Tauben ein Ei ins Nest gelegt.«
    »Ja, die Tauben haben es ausgebrütet.«
    »Und haben sie nichts dazu gesagt, als ihr ihnen ihr Küken weggenommen habt?« fragte Genoveva.
    »Was hätten sie denn sagen sollen?« rief Gerhard. »Höchstens Herr Lefur hätte Grund gehabt, was zu sagen.« Alle lachten schallend darüber.
    »Nein, Herr Lefur hat uns Kikri geschenkt...«
    »Er gehörte ihm also genausogut wie euch?«
    »Und er hat uns gesagt, es sei ein Orpington.«
    »Was wäre er?«
    »Ein Orpington. Das ist eine sehr wilde englische Rasse.«
    »Wohl ein Kampfhahn, wie?«
    »Sein Fleisch soll nicht besonders sein.«
    »Hast du vielleicht vor, es zu essen?«
    Alle schrien entsetzt auf.
     
    Das schlechte Wetter, das Ludwig immer »Pfützenwetter« nannte, wurde keineswegs besser, sondern immer abscheulicher. Der Wind blies stürmisch, und die Wellen, die gegen den Strand brandeten, erfüllten die Luft mit anhaltendem Donnergrollen. Schaumfetzen flogen über den Kamm der Dünen bis in die Parkbäume, wo sie wie seltsame Vogelnester hingen. Sturmböen erschütterten das alte Haus. Die Türen klapperten wie verrückt, und durch den langen Korridor im Obergeschoß pfiff heulend der Wind.
    Die Kinder hörten sich das beunruhigt an.
    »Ein Glück, daß Mama das Dach hat neu decken lassen!« murmelte Anne. »Diesmal wäre es bestimmt davongeflogen.«
    In der Nacht wurde es noch schlimmer, und als unsere Freunde gerade ins Bett gehen wollten, ging das Licht aus. Man hörte furchtsame Ausrufe.
    Glücklicherweise lag in der Küche ein Vorrat von Kerzen bereit.
    Nun stieg man in einer Lichterprozession zu den Schlafzimmern hinauf, und jeder schützte sein flackerndes Flämmchen hinter der vorgehaltenen Hand. Niemand war mehr zum Scherzen aufgelegt, und unsere Helden schliefen im Tosen des Sturmes ein.
    Es war nach Mitternacht, als die Geschichte passierte: Ein gewaltiges Dröhnen auf dem Boden riß alle jäh aus dem Schlaf. In beiden Zimmern

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