Der Fall Carnac
Strand. Wir haben viel Spaß, ungeheuer viel. Nein, Don Ameal ist noch nicht wieder dagewesen...«
»Aber er muß doch noch einmal dagewesen sein.«
»Ja, doch, auf der Durchfahrt nach Amsterdam. Ja, wahrscheinlich kommt er dann auf der Rückfahrt. Auf Wiedersehen, Mama. Mach dir nur keine Sorgen! Es geht alles ausgezeichnet.«
»Nette Burschen!« sagte Mesquer. »Immer guter Laune. Ja, heute vormittag hat mich schon jemand nach ihnen gefragt. Sie wollten ihr Zelt in Ker Mario aufschlagen. Bei Ihnen auf dem Feld hat es ihnen gut gefallen, aber die Mücken haben sie vertrieben.«
Peter und Ludwig wurden beauftragt, an den Strand von Ker Mario zu fahren und die beiden Burschen aus dem Zelt zu finden, koste es, was es wolle.
Am Abend kehrten sie todmüde zurück. Sie waren Kilometer um Kilometer gefahren, hatten Dutzende von Leuten gefragt — nichts! Die Spur verlor sich in Ker Mario.
Dort unten gab es etwa zwanzig Zelte. Und diese Leute hatten die beiden gesehen. Anscheinend waren es Medizinstudenten. Sie hatten einen kleinen Jungen behandelt, der sich einen Arm ausgerenkt hatte. Aber dann kamen zwei andere junge Männer im Kleinwagen zu ihnen. Sie hatten ihr Zelt zusammengepackt und waren zusammen weitergefahren. Wahrscheinlich nicht sehr weit, denn sie hatten gesagt, in ein paar Tagen wollten sie ihr Zelt wieder in Ker Mario auf schlagen. »Und der Gangster?«
»Der ist heute vormittag ebenfalls dort aufgetaucht.«
»Er weiß also auch nicht mehr als wir?«
»Er sucht sie bestimmt und belauert ihre Rückkehr nach Ker Mario.«
Peter und Ludwig waren bis nach Penthièvre weitergefahren und hatten Leute gefragt, die ganz nahe an der Straße zelteten, an der Stelle, wo die Halbinsel Quiberon nur ein paar Meter breit ist. Aber in dieser Gegend hatte niemand eine Gruppe von vier jungen Männern vorbeikommen sehen.
»Vielleicht sind sie in die Richtung von La Trinité gefahren. Wir wollen uns morgen dort erkundigen.«
Zwölftes Kapitel
Der Wolkensaum am Horizont stieg gegen Abend höher und türmte sich zu phantastischen Wolkenbergen. In wenigen Augenblicken verschwand die Sonne.
Tiefes Grollen erklang von allen Seiten des Himmels. Dann beugte ein wilder Windstoß die Bäume im Park bis fast zur Erde, und der Regen stürzte hernieder.
Die Kinder rannten ins Haus und drückten die Nase an die regenüberspülten Fensterscheiben, um sich den Wolkenbruch anzusehen. Die so plötzlich kühl gewordene Luft roch nach nasser Erde.
Line hatte sich unter dem Vorwand, an die Eltern schreiben zu wollen, in ihr Zimmer geflüchtet. In Wirklichkeit hatte sie das Bedürfnis, allein zu sein und nachzudenken.
Oben auf dem Blatt, das vor ihr lag, stand nur:
»Meine lieben Eltern.«
Und nun schaute sie aus dem Fenster, in Gedanken versunken.
Doch plötzlich fing sie an, rasch zu schreiben. Sie erzählte die ganze Geschichte, ohne das geringste auszulassen.
Plötzlich schallte es durchs Haus: »Line! Line! Nanou hat geschrieben!«
Sie rannte hinunter.
»Meine liebe Annette«, schrieb Nanou. »Ihr wart kaum abgefahren, als mir der Name von Herrn Paul wieder einfiel. Er hieß Sauvage. Ich habe ihn nie anders als Herr Paul nennen hören. <
Ich hoffe, Ihr seid alle bei guter Gesundheit, und ich grüße und küsse Euch herzlich. Witwe Anne Le Treis.«
Die Jungen hatten sich schon auf das Lexikon gestürzt und blätterten wie wild darin.
Welche Enttäuschung! Sauvage war ein französischer Ingenieur, geboren in Boulogne-sur-Mer, Erfinder der Schiffsschraube für die Dampf Schiffahrt.
»Er könnte ja auch Bilder gemalt haben«, meinte Gerhard.
»Aber er hieß Friedrich und nicht Paul«, erwiderte Ludwig und klappte das Buch mit einer wütenden Bewegung zu.
Line ging wieder hinauf ins Obergeschoß, um ihren Brief zu beenden, in dem sie ihren Eltern berichtete, was sich ereignet hatte. Leider waren ihre Hoffnungen, was den Wert dieses Bildes betraf, inzwischen geschwunden. Dieser Paul Sauvage konnte kein großer Maler gewesen sein, wenn sein Name nicht einmal im Lexikon stand. Loute würde die Überholwerft nicht mit dem Verkauf von Nanous Porträt retten können. Line schrieb die Adresse, klebte den Umschlag zu und blieb nachdenklich eine Weile sitzen.
»Und trotzdem... wenn Don Ameal und dieser Polizist, ob echt oder falsch, so versessen auf das Bild waren...«
Ach, sie wußte gar nichts mehr und fand sich nicht mehr zurecht.
Das schlechte Wetter hielt drei Tage an. Kalter Wind, Nebel, Regen.
»Das ist
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