Der Fall Peggy: Die Geschichte eines Skandals (German Edition)
denn das könnte die Hürde ja wieder hochsetzen.
HANDLING DENIALS: Als dritten Schritt gibt man dem Beschuldigten zum Schein die Möglichkeit, sich gegen den Tatvorwurf zu wehren. Der Beamte soll einerseits Widerspruch provozieren, dann aber konsequent jedes Leugnen unterbinden und den Beschuldigten nie wirklich zu Wort kommen lassen. »Rede einfach drüber hinweg« oder »Schneide seinen Redefluss mit nonverbalen Gesten ab« – so Reids Empfehlungen. Ein Unschuldiger werde kämpfen und sich dem Verhör verweigern. Ein Schuldiger dagegen werde zurückhaltend und höflich um das Wort bitten.
OVERCOMING OBJECTIONS: Im vierten Schritt darf der Beschuldigte zunächst seine Einwände vorbringen. Der Polizist solle sie ohne erkennbare Regung zur Kenntnis nehmen und dann eine neue Waffe daraus schmieden – indem er dem Beschuldigten erklärt, was die positiven Folgen im Fall der Wahrheit wären und was die negativen im Fall der Unwahrheit.
ATTAINING THE SUBJECT’S ATTENTION: Derart bearbeitet, neige der Beschuldigte jetzt dazu, sich innerlich zurückzuziehen. Er beginne, im Stillen nachzudenken, welche Konsequenzen ein Geständnis für ihn haben könnte. Um das zu verhindern, folgt jetzt Schritt fünf. Er besteht darin, sich dem Beschuldigten körperlich zu nähern, ihn zu berühren oder per Smalltalk den Kontakt nicht abreißen zu lassen.
HANDLING SUBJECT’S PASSIVE MOOD: In Stufe sechs rückt das Finale näher. Laut Reid erkenne man einen Schuldigen jetzt daran, dass er innerlich mit sich ringt, ob er die Wahrheit erzählen soll oder nicht. Stehe er kurz davor, sei das an seiner Körperhaltung, an Ticks und Macken, generell an Anzeichen von Nervosität zu erkennen. Jetzt sei der Zeitpunkt gekommen, die Tathypothese, bei Reid »Themen« genannt, zuzuspitzen und auf den Punkt zu bringen. Auf diese Weise werde der nächste, entscheidende Schritt vorbereitet: das Geständnis.
PRESENTING THE ALTERNATIVE QUESTION: Schritt sieben besteht in einer simplen Fragestellung, bei der der Beamte zwei Antwortalternativen vorgibt und keine davon abweichende frei formulierte Antwort akzeptiert. Laut Reid soll eine der beiden Antwortmöglichkeiten möglichst moralisch verwerflich klingen, etwa: Du hast sie umgebracht, weil du Spaß am Töten hast. Die andere dagegen soll möglichst so etwas wie eine nachvollziehbare Rechtfertigung beinhalten – etwa: Wahrscheinlich wolltest du sie nicht töten, die Situation ist dir einfach entglitten. Der Beamte soll sodann versuchen, den Beschuldigten auf die akzeptablere der beiden Alternativen zu lenken. Phase sieben ist diejenige, in der die meisten Geständnisse fallen. Das ist auch leicht zu verstehen, weil ja beide Alternativen vom Vernehmer als Geständnis vorformuliert sind und es im Prinzip egal ist, für welche sich der Beschuldigte entscheidet.
OBTAINING THE VERBAL CONFESSION: In der achten Stufe wird dann das Geständnis mündlich aufgenommen. Die Vernehmer sollen den Beschuldigten mit offenen Fragen dazu bringen, den Tatverlauf in eigenen Worten zu schildern – nachdem er freilich zuvor mit den Worten der Kriminalbeamten vorgegeben worden war.
ELEMENTS OF THE WRITTEN CONFESSION: In der neunten Stufe wird das Geständnis schriftlich fixiert. Außerdem soll der Vernehmer dafür sorgen, dass der Beschuldigte die Freiwilligkeit seines Geständnisses bescheinigt.
Zusätzlich gibt Reid seinen Kunden eine Reihe von Tipps, wie das Verhalten von Beschuldigten zu werten sei – ob sie also die Wahrheit sagen oder lügen. Für eine wahrheitsgemäße Aussage spreche es, wenn während des Verhörs die Nervosität abnimmt und der Beschuldigte bereitwillig mitarbeitet; für eine Lüge, wenn der Beschuldigte nervöser wird und unkooperatives Verhalten zeigt. Wer sich beim Antworten nach vorn lehnt, sagt laut Reid die Wahrheit, wer sich zurücklehnt, der lügt. Besonders schwierig wird die Sache beim Augenkontakt: Lügner gucken entweder weg oder starren den Vernehmer an, Wahrheitsliebende gucken »angemessen« (appropriate). Und schließlich: Wahrheiten werden spontan, ohne großes Nachdenken und in konkreten Worten ausgesprochen, Lügen dagegen zögerlich und eher schwammig, wobei der Beschuldigte zudem dazu neigt, vom Thema abzulenken oder nervös zu lachen.
Das mag hier und da ein bisschen nach Glaskugel oder dem Versuch der Gedankenleserei klingen, aber die Soko Peggy 2 achtete beim Verhör von Ulvi Kulac tatsächlich auf solche Beobachtungen und nahm sie ernst.
In Deutschland lehnen die
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