Der FC Bayern und seine Juden
bisher ungeahnten Kontakt mit unserem Sport. (…) In farbenreichen Bildern wurde uns und den Andern illustriert, was Curt Landauer in seiner sehr einfachen, sehr ausgezeichneten Rede zuvor erläutert hatte: die ethische Macht des Sports. Dies war keine Jubiläumsfeier eines großen Clubs mehr, sondern ein Appell an das Gewissen einer großen, berühmten und künstlerisch hervorragenden Stadt. Am 13. Juni 1925 ist der Münchener Fußballsport, vertreten durch den F.C. Bayern München, in jene Kreise eingedrungen, die ihm bis jetzt vielleicht nicht feindselig, aber herablassend oder neutral gegenüberstanden. Die Festvorstellung im Deutschen Theater war ein Markstein in der Geschichte des Sports. Genau wie das Erscheinen der Corinthians in Hamburg, genau so wie der erste Besuch der Freiburger in Straßburg nach dem Kriege; nur dass sich der Appell diesmal nicht ans Ausland, sondern an die oberen Kasten der eigenen Volksgenossen richtet. (…) Hier hat zum erstenmal im deutschen Sport die Theorie die Praxis überflügelt.«
Antiliberalismus
Doch das »Gewissen einer großen, berühmten und künstlerisch hervorragenden Stadt« beginnt sich zu dieser Zeit auf ganz andere Art zu belasten: München zeigt sich früh anfällig für nationalsozialistische Propaganda. Am 24. Februar 1920 war im Münchner Hofbräuhaus die Nationalsozialistische Partei Deutschlands (NSDAP) aus der Taufe gehoben worden, durch Umbenennung der 1919 im Café Gasteig gegründeten kleinen Deutschen Arbeiterpartei (DAP). Knapp drei Jahre später, Ende Januar 1923, hält die Partei im Münchner Löwenbräukeller ihren Reichsparteitag ab. München, Bayern und Österreich sind Adolf Hitlers erste Rekrutierungsgebiete.
Im Herbst 1923 werden in München eine Reihe antisemitischer Attacken registriert. Die Fenster der großen Synagoge werden eingeschlagen, die Laubhütte eines Juden wird angezündet, und in einer anderen Münchner Synagoge werden Gottesdienstbesucher beleidigt und belästigt.
Am 8./9. November 1923 kommt es in München zu einem rechtsextremistischen Putschversuch, angeführt von Adolf Hitler und Erich Ludendorff. Ex-Quartiermeister Ludendorff war nach dem Ersten Weltkrieg zu einem Idol der völkischen, chauvinistischen und antirepublikanischen Kreise aufgestiegen. Auf einer bierschwangeren Versammlung im Haidhausener Bürgerbräukeller proklamiert Hitler eine »provisorische deutsche Nationalregierung« und bricht – nach dem Vorbild der italienischen Faschisten um Mussolini – mit seinen Getreuen zum »Marsch auf Berlin« auf, der allerdings in einer Schießerei vor der Feldherrnhalle am Odeonsplatz endet.
So operettenhaft das Unternehmen, bei dem vier Polizisten und 16 Putschisten ums Leben kommen, auch anmuten mag: Für Münchens Juden bedeutet es Stunden der Angst. Und es liefert einen weiteren Vorgeschmack auf das, was noch kommen wird. So wird der Rabbiner Baerwald von Nazis aus seiner Wohnung geholt und vor die Stadt gefahren, wo man ihn an einen Baum fesselt, einen Revolver auf ihn richtet und mit seiner Erschießung droht.
Nach dem verlorenen Krieg hatte sich das politische Klima in München gründlich verändert. Einst war die bayerische Metropole – nicht zuletzt dank der Bayern-Heimat Schwabing und Maxvorstadt – zum geistigen Gegenpol des wilhelminischen Berlin avanciert. Um die Jahrhundertwende galt München als heimliche Hauptstadt für alle, die das wilhelminische Preußen als Inbegriff des Anti-Liberalen ablehnten. Thomas Mann, der von 1910 bis 1913 zunächst in der Mauerkircherstraße und anschließend in der Poschingerstraße (heute: Thomas-Mann-Allee) im Stadtteil Bogenhausen lebte, charakterisierte die Atmosphäre als eine »der Menschlichkeit, des duldsamen Individualismus, der Maskenfreiheit«.
Doch im Zuge der 1920er setzt ein radikaler Wandel ein. Münchens Juden erleben »früher als Juden in anderen Teilen Deutschlands (…), wie sich die Atmosphäre in ihrer Heimatstadt veränderte, wie sich die Stimmung radikalisierte und sich die bayerische Staatsregierung auf dem rechten Auge als blind erwies« (Heike Specht).
Entsprechend milde werden die nationalsozialistischen Putschisten behandelt: Hitler kommt mit fünf Jahren Festungshaft davon, sein Mitstreiter Ludendorff wird mit Verweis auf seine »Verdienste« im Ersten Weltkrieg sogar freigesprochen. Von einer Ausweisung des Ausländers Hitler wird abgesehen, da, so das Gericht, »auf einen Mann, der so deutsch denkt und fühlt wie Hitler, (…) die
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