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Der FC Bayern und seine Juden

Der FC Bayern und seine Juden

Titel: Der FC Bayern und seine Juden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietrich Schulze-Marmeling
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der Pressetribüne nehmen Walther Bensemann und die Frankfurter Journalistenlegende Max Behrens Platz. Wie »Bense« ist auch der »dicke Max« Jude. Der Journalist, ein »lebendes Fußball-Lexikon«, wie später einmal die »Frankfurter Presse« schreiben wird, berichtet für den »Frankfurter Generalanzeiger« und die »Frankfurter Zeitung« (Vorläufer der »Frankfurter Neuen Presse«) über die Auftritte der Eintracht und des Lokalrivalen FSV. Im Stadion herrscht drückende Hitze. Später wird man 43.000 geleerte Limonadeflaschen und 30.000 Maßkrüge einsammeln.
    »Die beste Mannschaft Deutschlands«
    Beim Anpfiff durch Schiedsrichter Alfred Birlem stehen neun aktuelle Nationalspieler auf dem Platz. Bei den Bayern sind es Bergmaier, Haringer, Heidkamp, Rohr und Welker, bei der Eintracht Schütz, Stubb, Mantel und der bereits erwähnte Schweizer Walter Dietrich. Allerdings muss Eintracht-Coach Paul Oßwald auf den torgefährlichen Linksaußen Bernhard Kellerhof verzichten, der mit einer schweren Knieverletzung ausfällt.
    Kapitän des FC Bayern ist der Düsseldorfer Konrad »Conny« Heidkamp. Sigmund Haringer: »Eine solche Persönlichkeit hatte außer uns keiner. Conny Heidkamp war nicht nur als Spieler Extraklasse. Heidkamp (…) schaffte es mit seiner großen Menschenkenntnis, seiner rheinischen Fröhlichkeit und vor allem mit seinem gütigen Herzen, dass jede noch so kleine Reiberei, jedes noch so unscheinbare Missverständnis zwischen uns ausgeschaltet blieb. (…) Heidkamp war wohl einer der vollendetsten Läufer, die wir je in Deutschland gehabt haben. (…) Presse und Zuschauer haben Heidkamp wohl immer geschätzt, aber so richtig verstanden haben sie ihn nie. Wenn ich nach dem richtigen Ausdruck für seine Spielkunst suche, fällt mir nur ein Wort ein: er war einmalig! Er war einer von denen, die in der Lage waren, allein ein Spiel zu entscheiden.«
    Doch zunächst bestimmt die Eintracht das Spiel, kann aber ihre Überlegenheit nicht in Tore ummünzen. Nach etwa 20 Minuten können sich die Bayern von dem Druck befreien und ihr flüssig-flaches, geschmeidiges Kombinationsspiel entfalten. Haringer: »Auf beiden Seiten wurde flach gespielt und an MW- oder WM- oder Betonsystem dachte kein Mensch. Stürmen war die große Parole auf beiden Seiten, und zwar stürmen mit fünf Stürmern und einer offensiven Läuferreihe.«
    In der 34. Minute schickt Rohr Bergmaier in den freien Raum. Bergmaier düpiert Mantel und drischt den Ball aufs Frankfurter Tor. Eintracht-Verteidiger Stubb wehrt das Geschoss in Torhüter-Manier kurz unterhalb der Querlatte mit beiden Fäusten ab. Schiedsrichter Al fred Birlem zeigt auf den Elfmeterpunkt. Eigentlich soll Kapitän Conny Heidkamp schießen, doch der überlässt die Ausführung dem Benjamin der Mannschaft, dem 20-jährigen Oskar Rohr. Laut Rohr hat ihn Heidkamp angefleht: »Ossi, du musst schießen, ich habe die Nerven nicht.« Der Torjäger nimmt nur kurz Anlauf, will den Ball platziert einschieben, was ihm aber – zum Glück für die Bayern – misslingt. Haringer: »Wie Rohr den Ball tritt, trifft er zunächst den Boden, so dass die Kreidemarkierung nur so staubt. Das war sein Glück, denn durch den Stoß in die Erde bekam sein Fuß eine andere Richtung. Hätte Rohr den Ball direkt (ohne vorher den Boden zu berühren) getroffen, hätte er ihn dem guten und aufmerksamen Schmitt vor den Bauch gesetzt.« So aber fliegt das Leder knapp über Keeper Ludwig Schmitts linker Faust zur 1:0-Führung ins Netz.
    Die Begegnung wird nun härter, wobei die Frankfurter etwas mehr austeilen, was das neutrale Publikum mit spürbarem Sympathieentzug quittiert. Die erste halbe Stunde nach dem Wiederanpfiff gehört den Bayern, die nun routiniert ihr Programm hinunterspulen. In der 75. Minute setzt sich Bergmaier auf dem rechten Flügel durch. Stubb eilt herbei, doch Bergmaier passt auf engem Raum zu Krumm. Schon in der Nähe der Torauslinie angelangt, dribbelt sich Krumm an Stubb und Mantel vorbei, vollzieht eine schnelle Wendung und schießt aufs Tor, wo der Ball hart an den linken Pfosten schlägt und von dort ins Netz fliegt.
    Die Eintracht bäumt sich noch einmal auf, doch das grandiose Abwehrduo Heidkamp-Haringer lässt nichts mehr anbrennen. Der »Kicker« über das Geheimnis des Bayern-Siegers: »Kein System mit immer den gleichen Mitteln, immer den gleichen Stellungen. Wenn Rohr und Schmid II oder Bergmaier den Ball hatten, dann wusste kein Gegner, was kam, und keiner der Kameraden

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