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Der Feind im Spiegel

Der Feind im Spiegel

Titel: Der Feind im Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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westeuropäischen Großstädten. Und nicht nur unter Immigranten, sondern auch unter Jugendlichen, die zum Islam konvertiert waren, um die ihrer Ansicht nach degenerierte westliche Gesellschaft zu bekämpfen. Die neuen Glaubensbrüder waren oft die fanatischsten.
    Es gehört zur Ironie der Geschichte, daß ausgerechnet der Paria Serbien das Land war, das als erstes die neue Gefahr erkannte und etwas dagegen unternahm. Wäre dies zehn Jahre später geschehen, stünde sein Land jetzt anders da, und Milosevic säße nicht in Den Haag und wartete auf sein Urteil. Die Amerikaner verfuhren wieder nach dem Motto: Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Aber Serbien war Vergangenheit. Das hatte er bereits erkannt, bevor es zusammenbrach. Bevor die Horden von Feiglingen mit der Beute, die sie gerade noch an sich raffen konnten, das Weite suchten.
    Aber das war jetzt nicht das Entscheidende. Das war etwas anderes. Er war damals einbezogen worden, weil Gerüchte von einem dänischen heiligen Krieger umgingen, der die serbischen Flüchtlinge in Angst und Schrecken versetzte. Und der Kommandant war der Meinung, daß Vuk mit seinem dänischen Hintergrund mithelfen könnte, ihn zu identifizieren und anschließend zu liquidieren.
    Es war mißglückt. Sie hatten ihn zwar einkreisen können und hatten in Erfahrung gebracht, daß er sich Azim der Große nannte und tatsächlich etwas mit Dänemark zu tun hatte. Jedenfalls hatte Vuk ein Abhörband gehört, auf dem er mit einem Mann in Spanien dänisch sprach. Er wußte nicht mehr, wo in Spanien es gewesen war, aber das stand in besagtem Dossier. Sie hatten ihn auch mit anderen Kampfgenossen arabisch sprechen hören, als er eine Zeitlang leichtsinnigerweise sein Mobiltelefon benutzte. Aus einigen Quellen ging hervor, daß Azim wie viele andere westliche Muslime aus einer Mischehe stammte. Sein Vater war Marokkaner oder Kurde, seine Mutter Dänin. Zu jener Zeit war er Mitte Zwanzig. Er war in einem Ausbildungslager in Afghanistan gewesen. Wo steckte er heute? Wer war er heute? Denn er war mehr als ein ordinärer al-Qaida-Soldat. Davon war Vuk überzeugt. Er erinnerte sich an Bruchstücke der Tonbandaufzeichnung. Unter anderem hatte Azim zu seinem spanischen Verbindungsmann gesagt: »Ich kann dir ohne Probleme rote Laufschuhe besorgen.« Vuk war sich sicher, daß damit die begehrten rotebetefarbenen dänischen Pässe gemeint waren. Warum hatte er mit einem Mann in Spanien dänisch gesprochen? Ihr Dänisch war ohne Akzent gewesen, als wären sie beide in Dänemark geboren und aufgewachsen. Er hatte ein weiteres Abhörprotokoll gelesen, es war aus dem Arabischen übersetzt worden. Darin sprach Azim mit einem Mann in Ishøj bei Kopenhagen. Es war anscheinend ein harmloses Gespräch, das von einer von zwei kurdischen Familien arrangierten Hochzeit handelte, einer aus Dänemark und einer aus Kirkuk im irakischen Kurdistan. Eine ziemlich übliche Sache. Es gab Probleme mit dem Mädchen in Dänemark. Sie wollte den Mann nicht so ohne weiteres akzeptieren, auf den sich die beiden Familien geeinigt hatten. Azim versprach, mit der betroffenen Familie in Kurdistan zu sprechen. Es war eine Frage der Ehre. Es ging wohl auch darum, daß der Wert des Mädchens auf dem Heiratsmarkt nicht sehr hoch war, weil sie im Ruf stand, ein zu dänisches Leben zu führen.
    Vuk war sich nicht ganz darüber im klaren, warum ihm die serbischen Geheimdienstler die Abschrift gezeigt hatten, aber vermutlich deshalb, weil man im Nachrichtendienst einfach jede Spur untersucht. Vuk konnte sich nicht an jedes Wort des Gesprächs erinnern, aber an den Namen des Mannes in Ishøj erinnerte er sich noch. Weil er das Mädchen kannte. Sie waren in der Volksschule und später im Gymnasium in eine Klasse gegangen. Sie war in Dänemark geboren, hieß Fatima und war damals ein schönes, fröhliches Mädchen. Er konnte verstehen, daß sie keine Lust hatte, einen Vetter aus einem gottverlassenen Dorf im Nordirak zu heiraten. Er wußte auch noch den Namen ihres älteren Bruders, er hieß Mustafa Mussin. Er hatte Fatima oft zur Schule gebracht und wieder abgeholt, als sich bei ihr in der siebten Klasse die ersten weiblichen Formen abzeichneten. Mustafa war ein großer Mann mit durchtrainiertem Körper und kräftigem Haar und Schnauzer. Man hätte ihn mit Saddam Hussein verwechseln können. Vuk mußte auf einmal daran denken, daß er Fatima dem serbischen Geheimdienst gegenüber nie erwähnt hatte. Er wußte nicht mehr, warum. Vielleicht

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