Der feine Unterschied
wurde, und dann gelingt uns der Anschlusstreffer tatsächlich, und ein Spiel geht zu Ende, das genauso mit einem 6:2 für Manchester hätte enden können wie mit einem 5:3 für uns.
Beide Resultate wären übrigens richtig gewesen und gerecht. Aber das ist das Wunderbare am Fußball: Am Ende gibt es immer nur ein Resultat.
Spielen auf Augenhöhe ist wie ein Rausch. Zu wissen, dass dein Gegenspieler mit dem Ball alles kann, dass er schnell ist und entschlossen, einen Weg an dir vorbei zu finden, ist die vielleicht größte Herausforderung für einen Verteidiger - außer natürlich, so zu stehen, dass dein Gegenspieler den Ball gar nicht erst bekommt. Es ist prickelnd, in den ersten Minuten jedes Spiels zu erkennen, welcher Taktik der Gegner folgt, wo er Schwachstellen im eigenen Team auszumachen meint, und dagegenzuhalten. Ich kenne kaum ein befriedigenderes Gefühl, als die Spielweise eines Gegners vorauszuahnen und sie mit der eigenen Taktik zu durchkreuzen.
Die Champions League ist wie ein Druckkochtopf. Alle Qualitäten, die Weltklasse-Fußball ausmachen, werden in der K.o.-Runde bis aufs Äußerste strapaziert. Taktik, Technik, Nerven. Du hast Gegner, die jeden Fehler ausnutzen. Du tanzt auf dem Vulkan, und manchmal, wie in den Spielen gegen Manchester, bricht dieser Vulkan gleich mehrmals in einem Spiel aus.
Im Halbfinale gegen Lyon treten wir schonend auf - schonend für unsere Nerven. Wir spielen souverän. Stehen hinten gut, sind vorn gefährlich, und das einzige Problem entsteht, weil Franck Ribery nach einer angeblichen Tätlichkeit vom Platz fliegt - eine gelbe Karte hätte es auch getan, aber bitte. Ich finde, dass in einem Champions-League-Halbfinale ziemlich viel passieren muss, damit eine rote Karte fällig wird. Hier schießt der Schiedsrichter übers Ziel hinaus.
Als gleich nach der Pause auch ein Franzose vom Platz gestellt wird, spielen wir zehn gegen zehn, und irgendwann macht Robben das Tor, wir gewinnen 1:0. Diesmal ist es nicht das Resultat, sondern die Selbstverständlichkeit, mit der wir es erreichen, was Zuversicht fürs Rückspiel spendet.
Diese Zuversicht ist durchaus berechtigt. Wir haben den Gegner auch im Rückspiel von Beginn an im Griff, und Ivica Olic hat einen guten Tag. Er schießt alle drei Tore zum 3:0-Aus-wärtssieg in Lyon. Damit ist klar, was wir nach vier Spieltagen in der Gruppenphase nicht einmal zu träumen gewagt hätten. Wir stehen im Finale der Champions League.
Unser Gegner heißt dann nicht, wie erwartet, Barcelona, sondern Inter Mailand. Deren Trainer José Mourinho hat seine Mannschaft so brillant eingestellt, dass selbst der große FC Barcelona mit seinen Überstars Xavi, Iniesta und Messi kein Mittel findet, mehr als ein Tor zu erzielen, eines zu wenig nach dem 1:3 im Hinspiel.
Wir treffen also schon wieder auf eine italienische Mannschaft, aber nicht auf irgendeine, sondern auf die beste. Inter hat die besten Einzelspieler, aber vor allem hat Inter das beste taktische Grundgerüst.
Für mich ist das Bernabeu das schönste Stadion der Welt - nach unserer Allianz-Arena natürlich. Das Bernabeu ist ein Ort, wo seit vielen Jahren Fußballgeschichte geschrieben wird. Das Stadion ist groß, aber gleichzeitig eng, die Tribünen steigen steil und weit hinauf, die Fans sind nah am Feld und oben im Himmel. Ein sensationelles Gefühl, hier auf den Rasen zu laufen, und noch sensationeller ist nur, hier ein Finale spielen zu können, ein Finale auf der höchsten Ebene des Klubfußballs.
Unseren Gegner Inter Mailand hatten wir genauso wenig auf der Rechnung wie umgekehrt. Normalerweise heißt das Finale der Champions League Barcelona gegen Manchester United, aber um diese Monotonie zu durchbrechen, bin ich schließlich beim FC Bayern geblieben. Mit dem FC Bayern die Champions League zu gewinnen, ist für mich der größere Traum, als das mit einem anderen Klub zu schaffen - und jetzt stehen wir nur einen Schritt davor, diesen Traum Wirklichkeit werden zu lassen, schneller, als ich es gedacht hätte.
Die Mannschaft glaubt fest daran, dass Inter zu packen ist. Wir sind frischgebackener Deutscher Meister, wir haben in Berlin den Pokal geholt. Das Double haben wir schon, jetzt wollen wir das Triple.
Natürlich wissen wir, dass Inter in der Defensive extrem gut geordnet ist, wir kennen die Qualitäten der hervorstechenden Einzelspieler und haben genau hingeschaut, als die Mannschaft gegen Barcelona eiskalt abgewartet hat und dann mit schnellen Angriffen zum Erfolg
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