Der ferne Spiegel
Situation stieß Coucy, als er als Führer der savoyischen Truppen in den Piëmont kam. Offensichtlich erfahren in der Kunst der Verwüstung und Plünderung, fiel Coucy über Saluzzos Ländereien her und schickte Boten an Amadeus mit der Bitte um Verstärkung, damit er das Geschäft der Zerstörung noch gründlicher besorgen konnte. Diese Taktik, die darauf zielte, den Feind zur Kapitulation zu zwingen, zeigte schnell Wirkung. Coucys Eroberung dreier Städte und die Belagerung einer vierten provozierte einen Gegenangriff von seiten Bernabòs. Daraufhin schloß sich Amadeus der Päpstlichen Liga an, obwohl seine Schwester Blanche mit Galeazzo Visconti verheiratet war. Der Papst ernannte Amadeus zum Generalhauptmann der Ligastreitkräfte in der westlichen Lombardei.
In dem folgenden Kampf verfingen sich die teilnehmenden Parteien in einem Netz von Allianzen und Beziehungen, die für sie wichtig waren, für die Nachwelt aber wenig interessant sind. Die Kriegführenden wechselten unablässig die Allianzen, die ganze Auseinandersetzung hatte einen merkwürdig substanzlosen Charakter, ein spielerisches Moment wie eine komplizierte Schachpartie. Der Krieg war gezeichnet durch den Gebrauch von Söldnertruppen, die ohne jede Loyalität die Seiten noch unbedenklicher wechselten als ihre Auftraggeber. Sir John Hawkwood, der zunächst unter Bernabò gestritten hatte, verließ ihn und ging zur Liga über. Der Marquis von Montferrat, schwer belagert von Galeazzo, heiratete kurze Zeit danach dessen Tochter, die Witwe Violante. Amadeus VI. und Galeazzo, widerwillige, durch beiderseitige Liebe zu Blanche verbundene Feinde, fühlten sich beide mehr durch Bernabò bedroht als durch einander und kamen zu einem geheimen Einverständnis. Der Krieg, in dem sich Coucy in den nächsten
zwei Jahren in der Lombardei herumschlug, war eine Schlangengrube von zuckenden, verknäulten Leibern.
Bei Asti fand sich Coucy 1372 Sir John Hawkwoods Weißer Kompanie gegenüber, die zu der Zeit noch im Sold der Visconti stand. Jeder einzelne von Hawkwoods Männern wurde von einem oder zwei Pagen bedient, der, wie Villani schreibt, vor allem die Aufgabe hatte, den Brustpanzer glänzend zu halten, »so daß er wie ein Spiegel blendete und so einen besonders erschreckenden Anblick bot«. In der Schlacht wurden die Pferde von den Pagen gehalten, während die Reiter in einer kompakten Gruppe um eine von zwei Mann gehaltene Lanze herum zu Fuß kämpften. »Mit langsamen Schritten und fürchterlichen Schreien rückten sie gegen den Feind vor, und es war sehr schwer, sie aufzubrechen oder zu teilen. « Aber, fügte Villani hinzu, sie waren besser bei nächtlichen Überfällen auf Dörfer als in der offenen Feldschlacht, und wenn sie dennoch siegten, »war es eher der Feigheit unserer Männer« zuzuschreiben als dem Mut oder der Tapferkeit der Kompanie. [Ref 210]
Von der Gicht gequält und ohnedies alles andere als kriegerisch, hatte Galeazzo seinen 21 jährigen Sohn zum nominellen Kommandeur der Belagerung von Asti ernannt. Der junge Gian Galeazzo war groß, hatte die rotblonden Haare und die Schönheit seines Vaters, wird aber besonders wegen seiner intellektuellen Fähigkeiten von den Chronisten gepriesen. Er wurde von zwei Ratgebern begleitet, die darauf zu sehen hatten, daß er dem Feind nicht in die Hände fiele, was, wie seine Eltern bemerkten, »im Krieg häufig geschieht«. In ihrem Pflichteifer hinderten die beiden Ratgeber Hawkwood daran, die savoyischen Truppen frontal anzugreifen, woraufhin er die Zelte abbrach und das Lager verließ. So konnten die Savoyer ohne Schwertstreich Asti entsetzen. Als Bernabò zur Strafe Hawkwoods Sold halbierte, lief der zu den päpstlichen Truppen über. Kurz danach wechselte Baumgarten, der savoyische Söldnerführer, seinerseits die Seite und stellte seine Truppe in den Dienst der Visconti.
Für die savoyische Armee öffnete der Entsatz von Asti, der allerdings alles andere als ein glänzender Sieg gewesen war, den Weg nach Mailand. Coucys Rolle in Asti, obwohl in keiner Chronik überliefert, muß seinen Namen bekanntgemacht haben, denn der
Papst ermächtigte sofort seinen Legaten, den Kardinal von St. Eustache, »mit Enguerrand, dem Herrn von Coucy, zu Verträgen, Allianzen und Absprachen im Auftrag der Kirche zu kommen«. Absicht des Papstes war es, Coucy das Kommando der päpstlichen Truppen zu übertragen, die der Kardinal in die Lombardei führte. Eine erste Zahlung von 5893 Florin wurde durch eine Bank in
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