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Der ferne Spiegel

Der ferne Spiegel

Titel: Der ferne Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Tuchman
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Italien – die gewaltsame Durchsetzung Klemens’ VII. als alleinigem Papst – wurde, obwohl schon Anjou in dieser Hinsicht nichts unternommen hatte, nicht aufgegeben. Im Gegenteil, es wurde mit wachsender Besessenheit verfochten. Inzwischen überschattete zunehmend der Irrsinn den Papst Urban, der mit Karl von Durazzo zerfiel und aus Neapel vertrieben wurde. Mit einer Söldnerarmee zog er in endlosen Fehden durch Italien, belagert und belagernd, gefangen und gerettet, Bannflüche und Exkommunikationen hervorsprudelnd, in seinem Gefolge noch immer die sechs gefangenen Kardinäle, die er der Verschwörung gegen ihn bezichtigte. Als das Pferd eines dieser Kardinäle lahmte, ließ Urban den unglücklichen Kirchenfürsten hinrichten und seinen Leichnam unbegraben an den Rand der Straße werfen. Kurz danach ließ er vier der fünf Verbleibenden umbringen. Er war keine Zierde der römischen Kirche.
    Pierre de Craon kehrte nach dem Tode des Herzogs von Anjou
nach Frankreich zurück. Während viele seiner ehemaligen Kampfgenossen, die Reste von Anjous Armee, ihren Weg aus Italien zu Fuß hinausbettelten, erschien er bei Hofe mit prächtigem Gefolge, was große Empörung hervorrief. »Ha, falscher Verräter«, rief der Herzog von Berry aus, als er ihn den Ratssaal betreten sah, »verrucht und untreu, du verdienst den Tod! Du bist es, der den Tod meines Bruders verursacht hat. Ergreift ihn, und möge die Gerechtigkeit ihren Lauf nehmen!« Niemand wagte es, den Befehl auszuführen, da man die Verbindungen Craons zum Herzog von Burgund fürchtete. Craon zierte weiterhin den Hof Karls VI. und entging lange Zeit einem Prozeß, den die Herzogin von Anjou und ihr Sohn gegen ihn anstrengten, obwohl er schließlich verurteilt wurde, 100 000 Franken zurückzuzahlen.
    Ironischerweise zog sich Coucy durch einen Sturz vom Pferd in Avignon eine ernsthafte Verletzung am Bein zu, nachdem er in Italien ungeschoren davongekommen war. Möglicherweise ein komplizierter Bruch, war die Verletzung schwer genug, ihn beinahe vier Monate lang bettlägerig zu machen. Als Anjous Vizekönig übernahm er die Verantwortung für die zerlumpten und abgerissenen Veteranen, die von Bari zurückkehrten, verteilte Geld und vermittelte in Streitfragen. Als die Witwe Anjous kam, um den Anspruch ihres Sohnes auf die Provence zu unterstreichen, besuchte er sie verschiedene Male (wahrscheinlich auf einer Bahre), beriet sie in der Craon-Affäre und »tröstete sie, so gut er konnte«. Während dieser Besuche mag es durchaus zu einem Gespräch zwischen ihm und dem Verfasser eines der großen Kommentare zu dieser Zeit gekommen sein. [Ref 315]
    Honoré Bonet, benediktinischer Prior von Salon in der Provence, gehörte in irgendeiner Funktion dem Haushalt der Anjous an und lebte von 1382 bis 1386 in Avignon. Er schrieb Berichte über die Art von Dramen, in denen Coucy ein Darsteller war. Der Baum der Schlachten war eine Untersuchung der Gesetze und Sitten des Krieges und auch, unvermeidlicherweise, seiner moralischen und gesellschaftlichen Folgen. Seine Absicht in diesem Buch war es, sagte Bonet, eine Erklärung für »die großen Umwälzungen und sehr grimmigen Missetaten« seiner Zeit zu finden. Seine Schlußfolgerung war unverblümt. In der Frageform ausgedrückt – »Ob
diese Welt ihrer Natur nach konfliktlos und friedlich sein kann?« –, wurde das Problem ebenso klar beantwortet: »Nein, sie kann es auf keinen Fall sein.«
    »Ich beschreibe einen Baum der Trauer am Anfang meines Buches«, schrieb er, an dem drei Dinge zu sehen waren: »Unruhen wie nie zuvor« aufgrund des Schismas, der »große Zwiespalt« zwischen christlichen Fürsten und Königen und der »große Kummer und Haß« unter den Gemeinen. Bonet untersuchte viele praktische und moralische Fragen – zum Beispiel, ob ein Mann, wenn er gefangengenommen wird, obwohl ihm freies Geleit zugesichert wurde, seinen Bürgen zwingen kann, ihn freizukaufen; ob ein Mann den Tod der Flucht vorziehen sollte; welches die Rechte eines Ritters auf Sold waren einschließlich der Entschädigung, wenn er krank wurde; welches die Regeln der Verteilung von Beute waren. Durch alle Diskussionen zieht sich sein leitender Gedanke, daß der Krieg jenen nicht schaden sollte, die nicht an ihm teilnahmen, während doch jedes Beispiel aus seiner Zeit bewies, daß der Krieg gerade das tat. Er ist »im Herzen getroffen, das Elend sehen und hören zu müssen, in dem die armen Arbeiter leben . . . durch die, unter Gott, der Papst und

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