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Der ferne Spiegel

Der ferne Spiegel

Titel: Der ferne Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Tuchman
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Hosenbandrittern rivalisieren, das französische Prestige aufbessern und den uneinigen Adel in Treue zum Hause Valois zusammenschweißen.
    Mit all ihren Riten, Schwüren und Paraden waren die Ritterorden im wesentlichen ein Mittel der Monarchie, sich eine zuverlässige
Hausmacht zu schaffen. Dies sollte das Hosenband symbolisieren, ein Band, das die Ordensritter untereinander und sie alle mit dem König, dem Oberhaupt des Ordens, verknüpfte. 1344 mit großem Aufwand angekündigt, sollte der Hosenbandorden ursprünglich dreihundert erprobte Ritter umfassen, angefangen bei den Vornehmsten des Königreichs. Als er fünf Jahre später in aller Form gegründet wurde, war er auf einen exklusiven Zirkel von 26 Rittern reduziert, die sich unter die Schutzherrschaft des heiligen Georg stellten. Ihre Farben waren Blau und Gold. Bezeichnend war, daß die Statuten eine Klausel enthielten, daß kein Mitglied ohne Erlaubnis des Königs das Reich verlassen durfte. Das Tragen des Hosenbandes am Knie sollte nach den Worten des Ordenschronisten »Ermahnung und Erinnerung sein, daß die Ritter nicht kleinmütig (indem sie das Schlachtfeld fliehen) den Ruhm und die Tapferkeit verraten, die in Treue und Edelmut besteht«. Sogar die alten Ritter kannten Furcht und Flucht.
    Da es Johanns Ziel war, möglichst viele Adlige zu sammeln, legte er weniger Wert auf Exklusivität, und er öffnete seinen Orden vom Stern für fünfhundert Mitglieder. Gegründet »zur Ehre Gottes und unserer lieben Frau, zur Erhöhung der Ritterschaft und der Vermehrung des Ruhms«, sollte sich der Orden einmal im Jahr zu einem zeremoniellen Bankett versammeln, auf dem die Wappenschilde aller Mitglieder ausgestellt wurden. Die Ordensritter sollten eine weiße Tunika tragen, einen roten oder weißen Umhang mit einem goldenen Stern, einen roten Hut, einen bestimmten Emaillering, eine schwarze Kniehose und vergoldete Schuhe. Der Orden führte ein rotes Banner, das mit Sternen bedeckt war und ein Bild der Gottesmutter trug.
    Auf dem jährlichen Bankett berichteten die Ritter unter einem Eid der Wahrhaftigkeit »alle Abenteuer, die ruhmreichen und die schändlichen, die ihnen im Laufe des Jahres widerfahren waren«, und diese wurden von Schreibern in einem Buch niedergelegt. Der Orden wählte die drei Fürsten, Bannerträger und Ritter, die die größten Kriegstaten des Jahres aufwiesen, »denn keine Waffentat im Frieden soll berücksichtigt werden«. Damit sollten die Privatfehden von den durch den Herrscher erklärten Kriegen unterschieden werden. Bezeichnend für das Anliegen des Königs war, daß der
Schwur, nicht zu fliehen, hier in strenger Form und deutlicher als in den Statuten des Hosenbandordens wieder auftauchte: Ein Ritter des Ordens vom Stern mußte schwören, niemals weiter als vier arpents (etwa 500 Meter) zurückzuweichen, sondern sich »eher töten oder gefangennehmen zu lassen«.
    Die Absichten, die hinter den Orden standen, waren praktisch, aber die Form war schon nostalgisch. Seit den Legenden von den Waffentaten der Tafelrunde König Artus’ aus dem 6. Jahrhundert (wenn es sie überhaupt je gegeben hat) hatte sich die Kriegführung erheblich geändert. Die Legenden hatten das Rittertum als Ordnungsprinzip einer Kriegerkaste geformt, »ohne die die Welt in Verwirrung fiele«. Aber die Suche nach dem Gral war kein adäquater Leitfaden für eine realistische Kriegstaktik. [Ref 113]
    Der höchste Ausdruck ritterlichen Kriegshandwerks war in zeitgenössischen Augen die berühmte Schlacht »combat des trente« von 1351. Sie war eine Episode der lang andauernden englisch-französischen Auseinandersetzungen in der Bretagne und begann mit einer Herausforderung zum Zweikampf von Robert de Beaumanoir an seinen englandfreundlichen Landsmann, den Bretonen Bramborough. Als die Gefolgsleute dieser Ritter inständig darum baten, an dem Kampf teilnehmen zu dürfen, wurde ein Treffen von je dreißig Rittern auf beiden Seiten vereinbart. Die Bedingungen des Kampfes wurden bestimmt, das Schlachtfeld ausgewählt, und nachdem die Teilnehmer zur Messe gegangen waren und Höflichkeiten ausgetauscht hatten, begann der Kampf. Mit Schwertern, Bärenspießen, Dolchen und Äxten wurde gefochten, bis vier Ritter auf französischer und zwei auf englischer Seite erschlagen waren und eine Pause ausgerufen wurde. Blutend und erschöpft verlangte Beaumanoir nach einem Getränk und gab damit seinem Gegner Anlaß zur berühmtesten Antwort dieser Ära: »Trink dein Blut, Beaumanoir, und

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