Der Flirt
wäre.
Doch Arnaud gab nicht auf. Es war allein seiner unglaublichen Sturheit zu verdanken, dass er jedes Jahr neue Pläne machte, wie er Du Coudray Industries seinen Stempel aufdrücken und das bereits lächerlich große Familienvermögen noch vergrößern wollte.
Und Jahr um Jahr schlugen Arnauds Pläne unter den zynischen Blicken seiner Mutter fehl.
Da war das Tennisdress aus Gummi, das nie gewaschen werden musste. Der Trainings-Tennisschläger, der jedes Mal, wenn ein Spieler einen Schlag verfehlte, Beleidigungen ausstieß. Und der legendäre Tennis-Caddy, eine Tennistasche auf Rädern mit Fernbedienung, die in Wimbledon Premiere hatte und eine Geschwindigkeit von bis zu hundert Stundenkilometern erreichte. Wie beim Finale der Männer, als ein bockender Caddy, landesweit live im Fernsehen übertragen, einen zu langsamen Balljungen terrorisierte.
Doch jetzt endlich war Arnauds Stunde gekommen. Der »Nemesis All-pro Sport 2000«-Tennisschuh war ein Wunderwerk der Technik, ein Triumph des Modedesigns, ein wahrer Orgasmus aus glänzendem Lurex, blinkenden Lichtern und der Schwerkraft widerstehender Gummifederung. Und mit Unterstützung des Weltranglisten-Tennisspielers Ivaldo Ivaldovaldovich, der extra aus Kroatien einflog, um den Schuh bei einem besonderen Event im Hyde Park zu lancieren, würde man ihn den Händlern, trotz seines stolzen Preises von 299 Pfund, sicher aus den Händen reißen.
Arnaud stand in der Mitte der riesigen Sportartikel-Abteilung von Harrods und beäugte die Konkurrenz. Diesmal hatte er es geschafft. Keiner − weder Nike, noch Reebok, noch Puma − war mit seiner Schöpfung zu vergleichen. Er lächelte zufrieden. Allesamt Amateure.
Hinter ihm verhandelte sein Marketingleiter Jack Pollard mit der Einkäuferin über eine exklusive PR-Präsentation; dabei gestikulierte er wild und traktierte die arme Frau förmlich mit seiner Begeisterung, bis sie sich ihm unterwarf. Doch Arnaud war nervös, er entschuldigte sich und spazierte allein durch den Irrgarten aus Heimtrainern, Yogamatten und Rudergeräten − eine endlose Parade von Produkten, die
der Bewahrung der Jugend dienten. Wie deprimierend. Da war eine Frau in den Fünfzigern, die versuchte, auf einem Ski-Simulator zu balancieren. »Es ist zu spät!«, wollte er ihr zurufen. »Gib’s auf!«
Er bog um eine Ecke und stand unvermittelt direkt vor einem älteren Mann. Der Mann war ihm im Weg und starrte ihn böse an. Was für ein alter Scheißer, dachte Arnaud. Er wollte schon etwas sagen, doch da begriff er, dass er in einen Spiegel blickte.
Das waren seine faltigen Züge, sein schütteres Haar, seine hängenden Schultern. Einen Augenblick lang dachte er, er wäre krank. Dann drehte er sich ängstlich um, um zu schauen, ob jemand etwas mitbekommen hatte.
Er war allein.
Er trat von dem Spiegel zurück, wandte den Blick ab und ging rasch in eine andere Abteilung. Gottloser gewaltiger Zorn wallte in ihm auf. Die Ereignisse des vorausgegangenen Jahres hatten ihm zugesetzt, hatten sein geistiges, emotionales und körperliches Wohlbefinden angekratzt. Und er dachte an Olivia und daran, wie sehr sie ihn enttäuscht hatte. Wenn sie doch nur eine richtige, funktionierende Frau wäre, dann wäre alles gut!
Denn man konnte mit Fug und Recht behaupten, dass Arnaud sich selbst zwar hasste, seine Verachtung für Olivia jedoch noch größer war.
Er ging weiter, ohne darauf zu achten, wohin er seine Schritte lenkte.
Natürlich hätte er sich plastischer Chirurgie unterziehen können, doch dann würden es alle wissen. Dann wäre seine Unsicherheit der ganzen Welt offenbart. Abgesehen davon war es lächerlich. Einer seiner ältesten Freunde, Fabrice, war schwach geworden, und er sah jetzt wahrlich absonderlich aus − feste Teile hier, schlaffe Teile da −, und sein Gesichtsausdruck
war der permanenter Überraschung. Es war unmöglich, sich mit ihm zu unterhalten, ohne sich beleidigt zu fühlen.
Nein, das war keine würdevolle Lösung. Aber gab es eine würdevolle Lösung?
Je länger Arnaud darüber nachdachte, desto eindeutiger kam er zu dem Ergebnis, dass es die nicht gab.
Er ging um eine Ecke in die Skiabteilung.
Er hasste das Leben, hasste das Älterwerden und das Alter.
Wenn er doch nur noch einmal von vorn anfangen könnte.
Da sah er sie.
Sie probierte eine pelzbesetzte Skijacke von Prada an und posierte schmollend vor einem Spiegel. Gut ein Meter achtzig groß, langes schwarzes Haar, rundes Gesicht und riesige braune Augen, strahlte
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