Der Fluch der Maorifrau
Nudelwasser, das inzwischen bis auf den letzten Tropfen verkocht war. John setzte sich zu ihr auf den Barhocker und nahm einen kräftigen Schluck von dem köstlichen Wein.
»Du kannst dich nützlich machen«, sagte sie schmunzelnd. »Die Herrschaften sollten zu Tisch etwas am Leibe tragen. Oben im großen Zimmer findest du auf dem Bett ein riesengroßes Shirt. Mein Nachthemd. Das würde ich dir leihen. Und mir bringe doch bitte den Morgenmantel aus dem Bad mit.«
»Wenn Madame es unbedingt wünschen, dass wir uns verhüllen, dann werde ich eilen.« Mit diesen Worten rutschte er vom Barhocker, trat einen Schritt auf sie zu und küsste sie zärtlich auf die Wange.
Sophie konnte sich kaum auf die Pastasoße konzentrieren. Noch nie zuvor hatte sie diese Leichtigkeit in Gesellschaft eines Mannes verspürt. Es war ihr, als hätte sie etwas gefunden, nach dem sie unbewusst ein Leben lang gesucht hatte. Hoffentlich zerplatzt der Traum nicht, durchfuhr es sie plötzlich. Da war er wieder, der düstere Schatten der Angst, die sie zeitlebens immer wieder beschlichen hatte. Und schon warnte ihr Kopf sie davor, das Herz nicht zu sehr an diesen Fremden zu hängen. Es würde etwas Unvorhergesehenes geschehen. Sie wusste es! Ihr Atem ging schneller. Aber sie versuchte, sich auf das Kochen zu konzentrieren und die negativen Gedanken wie lästige Fliegen zu verscheuchen.
Das gelang ihr erst, als sie John Franklin in ihrem rosafarbenen Schlafshirt mit dem Aufdruck »Anwalts Liebling« vor sich stehen sah. Sie brach in schallendes Gelächter aus und vergaß nach dem Bruchteil einer Sekunde sogar, dass das Hemd ein Geschenk von Jan war, das sie damals ziemlich dämlich gefunden hatte.
John war ein wunderbarer Gast, der ihr Essen in den höchsten Tönen lobte und mit einem neckischen Grinsen einen perfekten Nachtisch ankündigte. Sophie spürte, wie ihr allein bei seinen Worten heiß wurde, doch dann schien ihm etwas einzufallen. Sein Gesicht verdunkelte sich.
»Mist! Ich habe total vergessen, dass Lynn meine Schwiegereltern zu uns eingeladen hat«, stöhnte er.
Sophie glaubte im ersten Augenblick, sich verhört zu haben. »Schwiegereltern?«, wiederholte sie tonlos.
»Ja, du hast Lynn doch Silvester kennengelernt. Ich meine, ich habe euch doch einander vorgestellt, aber es ist nicht so, wie du denkst.«
Sophies Gedanken fuhren Achterbahn. Diese weißblonde Lynn war seine Ehefrau? Und er hatte das alles eben getan, obwohl er verheiratet war? Sie wollte nichts weiter hören.
Ihr wurde speiübel. Ohne zu überlegen, sprang sie auf und rannte ins Bad. Ein schrecklicher Schmerz wütete an ihren Schläfen. Sophie ließ sich auf die kalten Bodenfliesen sinken und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Ihre Erschütterung war so groß, dass sie nicht einmal heulen konnte.
Wenig später klopfte es an die Badezimmertür.
»Sophie, ist alles in Ordnung?«, fragte er besorgt.
»Abgesehen davon, dass es nicht meine Art ist, mit verheirateten Männern ins Bett zu steigen, geht es mir blendend«, fauchte sie zurück.
»Sophie, glaube mir, es ist nicht so, wie du denkst. Lynn hat mich vor einem Jahr verlassen, weil sie sich in einen anderen verliebt hatte, und kurz vor Weihnachten ist sie zu mir zurückgekommen; sie dachte, es könnte alles so wie früher sein. Glaube mir, ich habe wirklich unter der Trennung gelitten und hab zunächst geglaubt, es geht für mich ein Traum in Erfüllung, als sie plötzlich vor der Tür stand, aber dem ist nicht so. Seit einer Woche ist ohnehin alles anders, ich -«
Sophie hielt sich die Ohren zu. »Hau ab!«, schrie sie. »Geh!«
»Sophie, bitte lass uns reden!«
»Ich möchte, dass du gehst«, wiederholte Sophie tonlos. Sie glaubte ihm kein Wort mehr. Hüte dich vor verheirateten Männern!, hatte Emma sie immer gewarnt. Sie lügen das Blaue vom Himmel hinunter, um dich ins Bett zu kriegen. Und genau so empfand Sophie sein Gerede. Als Schmierentheater.
»Sophie, mach die Tür auf. Bitte! Es ist nicht wahr. Ich bin nicht -«
»Bitte geh!«, unterbrach sie ihn nachdrücklich.
Es dauerte lange, bevor sich seine Schritte entfernten. Dann war alles still. Nach einer Weile hörte sie die Haustür zuschlagen und kurz darauf den Wagen anspringen. Zitternd erhob sich Sophie von den kalten Steinen und wankte ins Wohnzimmer zurück. Auf dem Tresen lag ein Zettel. Zögernd nahm sie ihn zur Hand und las ihn laut:
»Liebe Sophie,
bitte verzeih mir. Ich war im Überschwang der Gefühle gedankenlos. Es ist
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