Der Fluch der Maorifrau
hörte, hast du ja schon einen Detektiv auf ihn angesetzt.«
»Woher weißt du das?«, entfuhr es Sophie erschrocken. Sie hatte es ihm jedenfalls nicht erzählt.
»Von Wilson!«, erwiderte er breit grinsend.
»Aber warum hast du mir denn nicht gesagt, dass du den kennst?«, fauchte Sophie empört.
»Was hätte ich denn sagen sollen? Wilson ist die schmierigste, geldgeilste Ratte von ganz Dunedin, aber wir arbeiten alle mit ihm?« John grinste immer noch.
Sophie aber wurde immer wütender. »Und wieso sagt er dir, dass ich einen Thomas Holden suche?«
»Schließlich muss ich auch in knapp acht Wochen wissen, wo der sich aufhält, um ihn von seinem Erbe zu unterrichten. Deshalb wollte ich Wilson einschalten. Und der sagte nur: ›John, das mache ich für einen alten Kumpel wie dich natürlich umsonst! Die deutsche Lady zahlt, und ich werde dich vom Stand der Dinge unterrichten‹ Bis morgen, Sophie.«
Sophie war völlig verdutzt. Sie hätte gern noch Näheres über diesen seltsamen Deal auf ihre Kosten erfahren, aber da stieg John bereits wieder in seinen Jeep.
Nachdenklich betrat Sophie das Hotel. Bevor sie auf ihr Zimmer ging, schaltete sie den Hotelcomputer in der Lobby an und sah nach, wo Samoa lag. Genau dort, wo ich es vermutet habe, stellte sie befriedigt fest. Im südwestlichen Pazifik.
Sophie lag auf dem Bett und grübelte über die Ereignisse des Tages nach. In die beschämenden Gedanken an ihren absurden Verdacht bezüglich Tom schlich sich immer wieder der Kuss ein.
Schließlich sprang Sophie auf und griff sich das Manuskript. Sie hatte noch gar nicht angefangen zu lesen, als ihr das brüchige Büchlein aus Emmas Nachlass einfiel. Die Kiste hatte sie in die hinterletzte Ecke des Schrankes geschoben, noch hinter Emmas Handtasche. Nun zerrte sie sie aus dem Versteck, öffnete sie, nahm gezielt das schwarze Buch heraus und blätterte es auf. Otago 1863, das konnte sie gerade noch lesen. Alles andere war in einer Schrift geschrieben, die sie nicht entziffern konnte, aber es gab keinen Zweifel: Das hier war Annas Tagebuch, und Emma hatte es nicht nur gelesen, sondern sich auch die Mühe gemacht, ihr, Sophie, die wichtigsten Stationen im Leben ihrer Ahnin nahezubringen.
Nachdenklich legte Sophie den Band in die Kiste zurück, schloss den Deckel und ließ sie wieder im Schrank verschwinden, aber nicht, ohne vorher die Daguerrotypie noch einmal zu betrachten. Dieses Mal nahm sie Christian genauer unter die Lupe. Wenn sie ihn jetzt so mit Abstand betrachtete, konnte er einem eigentlich leidtun. Wie gehemmt er in die Kamera blickte! Kein schönes Leben, das er da gehabt hatte!
Apia, Januar bis März 1906
Kopfschüttelnd las Kate an diesem feuchtheißen Tag den Brief, den ihr Max Schomberger soeben zugesteckt hatte. Ausgerechnet der Sohn des ihr verhassten Dorfschullehrers, der erst kürzlich mit seiner Mutter aus Deutschland auf Samoa eingetroffen war, verehrte sie glühend.
Wenn das der Herr Papa lesen würde!, dachte Kate belustigt. Er wimmelt nur so von Fehlern. Sie runzelte die Stirn. Er hatte wieder ein Gedicht beigelegt! Der Junge nutzte jede Gelegenheit, um ihr nahe zu sein. Vorhin war ein Paket Bücher angekommen, und der behäbige Max hatte ihr angeboten, das schwere Paket für sie zu tragen. Sie hatte es ihm gestattet und dafür in Kauf genommen, dass er sie mit Hundeaugen anschwärmte. Vor ihrem Haus hatte er ihr dann diesen Brief in die Hand gedrückt und war fortgelaufen, bevor sie ihn lesen konnte. Kate seufzte. Der Junge war bestimmt nicht hässlich und auch von freundlicher Natur, im Gegensatz zu seinem bösartigen Vater, aber seine Zuneigung ließ Kate kalt. Wenn sie davon träumte, in Männerarmen zu liegen, gehörten die nur dem einen: Manono! Ihr Herz klopfte allein bei dem Gedanken an ihn. Sie versuchte jedoch, ihre Gefühle zu unterdrücken. Schließlich hatte sie Granny ein Versprechen gegeben, aber ihr Körper sprach eine andere Sprache. Jede noch so unschuldige und zufällige Berührung, wenn sie ihm Unterricht in deutscher Sprache erteilte, entfachte ein Feuer in ihr. Sie freute sich unbändig auf den Nachmittag. Gleich würde er sie in seiner Sprache unterrichten. Diese heimlichen Stunden waren die schönsten für Kate. Sie trafen sich für den Samoanisch-Unterricht nur dann, wenn Großmutter ganz bestimmt im Kontor war.
Gelangweilt faltete Kate nun den Zettel mit Max' literarischen Ergüssen auseinander. Du trägst so rote Rosen, du schaust so freudenreich, du
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