Der Fluch der Sphinx
in einen kleinen, bescheidenen Raum mit einer Matte um einen winzigen Tisch am anderen Ende. Der Imam bot Erica einen Stuhl an und nahm ebenfalls Platz.
»Warum suchen Sie in Kurna jemanden?« wollte er wissen. »Wir sind hier Fremden gegenüber sehr mißtrauisch.«
»Ich bin Ägyptologin und möchte herausfinden, ob einer von Howard Carters Vorarbeitern noch lebt. Er hieß Sarwat Raman. Er war in Kurna zu Hause.«
»Ja, ich weiß«, sagte der Imam.
Erica verspürte einen Anflug von Hoffnung, der jäh erlahmte, als der Imam weitersprach.
»Er ist vor ungefähr zwanzig Jahren gestorben. Er gehörte zu den wahrhaft Gläubigen. Seiner Großzügigkeit verdanken wir die Teppiche in dieser Moschee.«
»Aha.« Erica war enttäuscht, was man ihr anmerkte. »Na, es war immerhin eine Idee. Vielen Dank für Ihre Hilfe.« Sie stand auf.
»Er war ein guter Mensch«, berichtete der Imam.
Erica nickte und trat wieder ins grelle Sonnenlicht; sie überlegte bereits, wie sie zu einem Taxi gelangen könnte, das sie zum Anlegeplatz der Fähre brachte. Als sie den Hof verlassen wollte, hielt der Imam sie durch einen Ruf zurück.
Erica drehte sich um. Er stand auf der Schwelle zu seinem Zimmer. »Ramans Witwe lebt noch. Könnte es Ihnen nutzen, wenn Sie mit ihr sprechen?«
»Würde sie denn mit mir reden?« fragte Erica.
»Da bin ich sicher«, rief der Imam. »Sie hat als Carters Haushälterin gearbeitet und spricht besser englisch als ich.«
Während Erica dem Imam noch weiter hügelaufwärts folgte, staunte sie, wie jemand in dieser Hitze so schwere Gewänder tragen konnte. Trotz ihrer leichten Kleidung war ihr ganzer Rücken schweißnaß. Der Imam geleitete sie zu einem weißen Haus, das etwas höher als die anderen Bauten im südwestlichen Teil des Dorfes stand. Unmittelbar hinter dem Haus ragten dramatisch und schroff die Klippen in die Höhe. Rechts vom Haus sah Erica aus den Felsen einen Pfad kommen; sie vermutete, daß er das Dorf mit dem Tal der Könige verband.
Die weiße Fassade des Hauses war mit verblichenen kindlichen Malereien verziert, die Eisenbahnwagen, Boote und Kamele darstellten. »Raman hat hier seine Pilgerreise nach Mekka verewigt«, erklärte der Imam und klopfte an die Tür.
Im Hof neben dem Haus war ebenfalls eine der merkwürdigen Plattformen zu sehen, die Erica schon bei anderen Wohnhäusern aufgefallen waren; sie fragte den Imam, wozu sie dienten.
»In den Sommermonaten schlafen die Leute manchmal im Freien. Durch diese Bettstätten schützen sie sich vor Skorpionen und Kobras.« Erica bekam eine Gänsehaut.
Eine steinalte Frau öffnete die Haustür. Als sie den Imam erblickte, lächelte sie. Die beiden unterhielten sich arabisch. Als sie ihr Gespräch beendet hatten, wandte die Alte ihr stark runzliges Gesicht Erica zu.
»Willkommen«, sagte sie mit deutlichem britischem Akzent und ließ die Tür weit aufschwingen, um Erica einzulassen. Der Imam verabschiedete sich und ging.
Wie in der kleinen Moschee war es auch in diesemHaus erstaunlich kühl. Im Gegensatz zu seinem urtümlichen Äußeren war es im Innern des Hauses richtig gemütlich. Den hölzernen Fußboden bedeckte ein Orientteppich in hellen Farben. Das Mobiliar war schlicht, aber besaß Qualität, die Wände waren verputzt und gestrichen. An drei Wänden hingen zahlreiche eingerahmte Fotos. An der vierten Wand hing eine Schaufel mit langem Stiel und einer Gravur auf dem Blatt.
Die Greisin stellte sich als Aida Raman vor. Stolz erzählte sie Erica, daß sie im kommenden April achtzig werde. Mit echt arabischer Gastfreundlichkeit servierte sie kalten Fruchtsaft und erklärte, er sei mit abgekochtem Wasser hergestellt worden.
Erica war die Frau auf Anhieb sympathisch. Sie hatte dünnes, aber noch dunkles Haar, das sie aus ihrem rundlichen Gesicht nach hinten gekämmt hatte, und gekleidet war sie in ein farbenfrohes weites Kleid aus Baumwolle, bedruckt mit bunten Federn. Das linke Handgelenk schmückte ein orangener Plastikarmreif. Sie lächelte häufig und enthüllte dabei ihre letzten zwei Zähne im Unterkiefer.
Erica erläuterte ihr, daß sie Ägyptologin war, und Aida freute sich offensichtlich über die Gelegenheit, von Carter erzählen zu können. Sie verriet Erica, wie sehr sie den Mann bewundert habe, obwohl er etwas seltsam gewesen sei und sehr einsam. Sie erinnerte sich, wie sehr Carter seinen Kanarienvogel geliebt habe und wie traurig er gewesen war, als eine Kobra das Tierchen verschlang.
Erica trank vom Fruchtsaft und
Weitere Kostenlose Bücher