Der Fluch der Sphinx
flüchtige, düstere Männergestalt im Museum, die sie so irritiert hatte.
Achmed lauschte aufmerksam. Er unterbrach sie kein einziges Mal. Er ergriff erst wieder das Wort, als sie schwieg. »Der Mann, der erschossen worden ist, hieß Gamal Ibrahim und war hier im Amt für Altertümer tätig. Er war ein anständiger junger Mann.« Tränen schimmerten in Achmeds Augen. Einen so offenkundig starken Mann so aufgewühlt zu sehen, völlig anders als die amerikanischen Männer, die sie kannte, verhalf Erica dazu, ihre eigenen Sorgen völlig zu vergessen. Diese Fähigkeit, Gefühle zu zeigen, war eine ihr unbekannte Eigenschaft. Achmed senkte den Blick und riß sich zusammen, bevor er weitersprach. »Hatten Sie Gamal denn überhaupt im Laufe des Vormittags bemerkt?«
»Ich glaube, nein«, sagte Erica, aber sie merkte, daß sie schwankte. »Es ist möglich, daß ich ihn in Memphis an einer Erfrischungsbude gesehen habe, aber sicher bin ich nicht.«
Achmed wühlte in seinem dichten Haar. »Sagen Sie mal«, fragte er, »Gamal hielt sich doch schon droben auf dem Holzgerüst auf, als Sie die Treppe hinaufstiegen?«
»Stimmt«, sagte Erica.
»Das finde ich sonderbar«, sagte Achmed.
»Warum?« wollte Erica erfahren.
Achmed wirkte leicht nervös. »Ich habe den Eindruck«, wich er aus, »als ob das alles keinen richtigen Sinn ergibt.«
»Ich bin der gleichen Ansicht, Mr. Khazzan. Und ich möchte Ihnen versichern, daß ich mit der ganzen Angelegenheit nichts zu schaffen habe. Überhaupt nichts. Außerdem bitte ich Sie, mich mit der amerikanischen Botschaft in Verbindung zu setzen.«
»Sie dürfen die amerikanische Botschaft gern anrufen«, sagte Achmed, »obwohl dazu sicher keine Veranlassung besteht.«
»Ich glaube, ich brauche Hilfe.«
»Miss Baron, ich bedaure es, daß Sie heute Unannehmlichkeiten hatten. In Wahrheit jedoch sind all das allein unsere Probleme. Aber sobald Sie wieder in ihrem Hotel sind, können Sie selbstverständlich anrufen, wen Sie wollen.«
»Ich werde nicht hier festgehalten?« fragte Erica und glaubte, ihren Ohren nicht zu trauen.
»Natürlich nicht«, antwortete Achmed.
»Das ist eine erfreuliche Neuigkeit«, sagte Erica. »Aber ich muß Ihnen noch etwas erzählen. Ich hätte es Ihnen schon gestern abend mitteilen müssen, aber da hatte ich mich gefürchtet. Auf jeden Fall …« Sie holtetief Luft. »Ich habe zwei sehr merkwürdige und aufregende Tage hinter mir. Ich weiß nicht, welcher von beiden schlimmer war. Gestern nachmittag bin ich schon einmal unbeabsichtigt Zeugin eines Mordes geworden, so unglaublich das auch klingen mag.« Unwillkürlich schauderte Erica zusammen. »Zufällig mußte ich mitansehen, wie drei Männer einen alten Mann namens Abdul Hamdi ermordeten …«
Achmeds Stuhlbeine bumsten zurück auf den Fußboden. Er hatte sich zurückgelehnt und mit dem Stuhl geschaukelt. »Haben Sie die Gesichter gesehen?« Seine Verblüffung und sein Interesse waren offenkundig.
»Zwei von ihnen, ja«, sagte Erica. »Das dritte nicht.«
»Könnten Sie die Männer identifizieren, deren Gesichter Sie gesehen haben?« fragte Achmed.
»Möglicherweise. Ganz sicher bin ich nicht. Ich möchte mich dafür entschuldigen, daß ich Sie nicht gestern schon davon in Kenntnis gesetzt habe. Aber ich hatte wirklich Furcht.«
»Ich habe dafür Verständnis«, tröstete sie Achmed. »Keine Sorge. Ich kümmere mich darum. Aber zweifelsfrei werden wir Ihnen noch mehr Fragen stellen müssen.«
»Mehr Fragen …«, wiederholte Erica trostlos. »Eigentlich würde ich lieber so schnell wie möglich aus Ägypten abreisen. Mein Aufenthalt verläuft ganz und gar nicht so, wie ich ihn mir vorgestellt habe.«
»Ich bedaure das, Miss Baron«, sagte Achmed und wurde wieder so dienstlich, wie ihn Erica am vergangenen Abend kennengelernt hatte. »Aber unter diesen Umständen dürfen Sie nicht abreisen, bis alles aufgeklärt ist oder wir zu der Auffassung kommen, daß Sie zur weiteren Aufklärung nichts beitragen können. Es tut mir sehr leid, daß sie so viel Unannehmlichkeiten gehabt haben. Sie dürfen sich jedoch frei bewegen – aber geben Sie mir bitte Nachricht, wenn Sie Kairo verlassen wollen. Selbstverständlich steht es in Ihrem Belieben, alles mit dem amerikanischen Botschafter zu besprechen, aber berücksichtigen Sie bitte, daß er auf unsere internen Angelegenheiten kaum Einfluß hat.«
»Innerhalb der Landesgrenzen festgehalten zu werden«, sagte Erica und lächelte matt, »ist immer noch besser,
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