Der Fluch Des Bierzauberers
etwas bereit. Einige wenige Jahre in weitgehender Zufriedenheit sollten ins Land gehen, bevor Krieg und Verwüstung zurückkehrten. Und für die Familie Knoll würde die große Gefahr wieder einmal persönlich greifbar werden. Nicht zuletzt dank des guten Gedächtnisses des Jesuitenbruders.
18.
Die Kinder wuchsen schnell heran . Sowohl Ulrich Knoll als auch Johann Flügel näherten sich dem vierzehnten Lebensjahr. Beide Helden der Gässestrepper-Geschichte wurden ihren Vätern immer ähnlicher. Ulrich war bereits ein Hüne, mit Händen groß genug, um auch das schwerste Werkzeug zu handhaben, jedoch mit der linkischen Art eines heranwachsenden Jungen, der mit seiner Kraft und Größe nicht so recht umgehen konnte. Seinen Vater verehrte er als ›Bierzauberer‹, während er zu Magdalena stets eine höfliche Distanz wahrte. Denn trotz gemeinsamer Erlebnisse und der vielen Zeit – von der Kakushöhle bis zur Bestellung der Hopfengärten – die sie miteinander verbracht hatten, hatte er sie niemals als Mutter anerkannt. Magdalena hingegen hatte ihrem Stiefsohn seine spröde Zurückhaltung niemals übel genommen und ihn auf ihre Art genauso lieb gehabt wie die bald neunjährige Lisbeth. Beide Jungen hatten vor zwei oder drei Jahren in den Krieg ziehen wollen. Nachdem sowohl Knoll als auch Flügel vehement dagegen gesprochen hatten, war bei den beiden Freunden die Entscheidung gereift, in die Fußstapfen ihrer Väter zu treten.
»Ich möchte das Brauhandwerk erlernen«, verkündete Ulrich denn auch kurz vor seinem dreizehnten Geburtstag.
Knoll war sichtlich erfreut, trotz seiner Bedenken: »Wenn dieser Krieg noch weiter andauert, wirst du dich schwertun, sowohl mit dem Umherziehen als Geselle wie auch damit, später anständig in Lohn und Brot zu stehen.«
Natürlich gaben beide Väter den Wünschen ihrer Söhne nach – nicht zuletzt musste das Brauhaus ja auch irgendwann in die Hände der nächsten Generation übergeben werden, und so wurde aus dem Brauhaus ›Zum feisten Römer‹ ein echter Familienbetrieb, in dem zwei Söhne als Brauerlehrlinge von ihren Vätern lernten.
Selbstverständlich war Knoll besonders streng mit Ulrich, genauso wie Flügel mit Johann. Frühes Aufstehen, harte, schweißtreibende Arbeit standen ebenso auf der Tagesordnung wie Ermahnungen und Schimpfkanonaden. Gelegentlich, wenn auch selten, setzte es sogar Schläge. Brauerarbeit war knochenhart. Die Jungen mussten die Gerste auf den Getreideboden bringen, das feuchte Getreide wenden, trocknen, wieder wenden, dann das Malz mahlen, die Maische rühren, das Feuer schüren, die Würze kochen, die Gärbottiche reinigen – ›schlupfen‹ in der Sprache der Brauer – sowie die Fässer pichen und befüllen. Und, am häufigsten von allem: Putzen, putzen, putzen.
»Putzen ist die halbe Brauerarbeit!«, wiederholte Knoll mit schöner Regelmäßigkeit, bis die Lehrlinge es nicht mehr hören konnten. »Nur wenn die Brauerei reinlich ist, kann das Bier reinlich sein!«
Drei lange Jahre hindurch versuchten die erfahrenen Bierbrauer, all ihr Wissen und Können in die Köpfe ihrer Söhne hineinzuklopfen. Sie lehrten sie, gute Gerste, gutes Malz und guten Hopfen von schlechtem Material zu unterscheiden. Sie unterwiesen ihre Lehrlinge im Gebrauch des Kühlschiffs, der Erkennung einer guten Kräusenbildung bei der Gärung und in der Reparatur an Fässern und Bottichen. Sie zeigten ihnen die Möglichkeiten, ein verdorbenes oder fehlgeratenes Bier zu korrigieren und wieder trinkbar zu machen. Die Söhne schimpften, fluchten – und lernten eifrig.
Knoll steuerte seine Erfahrung aus anderen Bierstädten hinzu. So lernten sie über den Broyhan, das Zerbster Bitterbier, den Duckstein und die Garley, was es zu wissen gab. Alles Biere, die er noch aus der guten, alten Zeit kannte und »nach denen wir uns heute alle zehn Finger schlecken würden«, wie zu betonen er nicht müde wurde.
Flügel ergänzte immer wieder: »Es werden wieder bessere Zeiten kommen, dann werden wir auch anständigeres Bier machen können.«
Dem konnten Knoll und die Lehrlinge nur mit großer Hoffnung zustimmen. Eines Tages im späten Frühjahr 1645, beschlossen Flügel und Knoll, dass ihre Söhne nun genug gelernt hatten, und es an der Zeit wäre, sie auf Wanderschaft zu schicken.
»Seit drei Jahren verhandeln die hohen Herren in Münster und Osnabrück, es wird sicher bald Frieden geben. Unser Kaiser ist in einer ausweglosen Lage. Die Schweden stehen in
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