Der Fluch Des Bierzauberers
Sommertags 1643 – die beiden Jungen hatten in Bitburg soeben ihr erstes Jahr als Brauerlehrlinge hinter sich gebracht – trafen sich die beiden Freunde, der Braumeister und der ehemalige Stadtrichter, auf ein paar Krüge Most in Flügels Brauhaus. Die Biersaison war vorüber und Knoll hatte genügend Muße, mit Oetz die Lage zu erörtern.
»Die Franzosen haben anscheinend einen neuen Schlachtermeister«, eröffnete Oetz das Gespräch. »Oder hast du schon einmal von einem Henri de Turenne gehört?« Knoll schüttelte den Kopf. Oetz fuhr fort. »Zum neuen Marschall von Frankreich ist er ernannt worden. Und ist nun Herr über alle Franzosentruppen in Deutschland.«
Knoll ahnte Böses. »Hoffentlich ist der Herr Turenne nicht zu ehrgeizig. Es wäre doch arg, wenn die Franzosen den Frieden, den die hohen Herren dort in Westfalen aushandeln, wieder gefährden würden.«
Ganz unrecht sollte Knoll mit seinen Befürchtungen nicht haben. Turenne war, im Gegensatz zu vielen anderen Heerführern dieses Krieges, ein gebildeter, vorsichtiger und methodisch denkender Mensch, dazu noch ein ausgezeichneter Taktiker. Wie wohl nur Wallenstein hatte er die Ökonomie des Krieges und die Bedeutung sorgfältiger Verpflegung und Unterbringung seiner Truppen erkannt, wenngleich diese hohe Einschätzung des Marschalls in der Pfalz und in Bayern, die er beide zuerst mit seinen Truppen heimsuchte, wohl nicht geteilt wurde.
Es sollte noch ein knappes Jahr dauern, dann war Turennes Gegenwart auch in der Eifel und in Bitburg spürbar geworden.
Wie sich die Bilder glichen! Fast, als wäre nichts geschehen, saßen ziemlich genau ein Jahr später wieder einmal beide Männer im Brauhaus und schimpften auf die Franzosen.
»Jetzt haben sie bald alle Habsburger Truppen aus dem Rheingebiet verjagt«, jammerte Oetz. »Wer soll diesen Bestien, Turenne und Condé mitsamt ihrem Mörderpack, noch Einhalt gebieten?«
Knoll empörte sich mehr über die Plünderung des in der östlichen Eifel gelegenen altehrwürdigen Klosters Maria Laach im Februar dieses Jahres, die überall für große Aufregung gesorgt hatte. »Dabei hatte das Kloster eines Schutzbrief der französischen Heeresverwaltung. Und diese Hunde des Krieges haben ihren eigenen Schutzbrief ignoriert!«, schimpfte Knoll, den dies an Magdeburg erinnerte.
So gänzlich unschlagbar waren die Franzosen indes nicht. Das Schlachtenglück wechselte hin und her, schließlich siegten aber doch die Franzosen am 3. August 1645 bei Nördlingen über das bayerische Heer. Trotz des Sieges war die Armee in desolatem Zustand. Turenne erkannte dies und schickte die arg dezimierte Kavallerie zurück nach Lothringen. Zunächst versuchte er vergebens, seine planlos herumziehende und marodierende Infanterie zur Ordnung zu rufen. An der Lahn, östlich des Rheins, richtete er schließlich ein Lager ein, aber die komplett ausgeplünderte Gegend gab nichts mehr her. So schickte Turenne einen Teil seiner Truppen westwärts an die Mosel. Dort eroberten sie am 18. November 1645 die Stadt Trier von den Spaniern zurück und gaben dem frisch aus der österreichischen Haft entlassenen Kurfürsten von Sötern den Schlüssel der Stadt wieder. Dadurch dass die Franzosen Trier wieder freigaben, wurden sie mit Abgaben des Luxemburger Landes entschädigt. Alle mussten entrichten, was die Besatzer verlangten, so auch die Stadt Bitburg. Das schürte nur weiteren Hass auf die Lothringer, wie die Franzosen in Bitburg auch genannt wurden. Wenngleich die Stadt nicht erobert worden war, so befand sie sich doch, de facto, in der Hand der Lothringer. Und die Namen der lothringischen Offiziere, die immer wieder Bitburg ›besuchten‹ und durch das Servis ausplünderten – Baron de Fours, Conte de Luneville, Baron de Molle, Baron de Chatelet, Oberst Hacquefort sowie der Oberstleutnant Montaubant –, waren bald allgemein verhasst und wurden im Geheimen nur mit äußerster Verachtung ausgesprochen. Dieser Hass erinnerte Knoll daran, wie er Tilly und Pappenheim gegenüber empfunden hatte, die zum Glück beide schon länger unter der Erde weilten – und in der Hölle schmorten, wie er hoffte.
Der einzige Führer der habsburgischen Streitmacht, ein General Becken, ließ sich nur selten blicken, fürchtete er doch die lothringische Übermacht sogar auf seinem eigenen Territorium. Wenn er in Bitburg um Servis ansuchte, schickte er vorab heimlich einen Boten in Zivil in die Stadt, um sicherzugehen, nicht zufällig dort mit
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