Der Fluch des Khan
der Druck immer mehr zu, je tiefer das Boot sank. Die Außenwände der Kammer knackten bereits bedrohlich, als die Schweißnähte die Grenzen ihrer Belastungsfähigkeit erreichten. Doch durch die Gewichtsverlagerung stellte sich das Heck allmählich immer steiler. In dem engen Gelass spürte man nichts davon, aber ein leises Scharren war zu hören, als die Kammer über das schräge Deck rutschte. Dadurch wiederum geriet das Achterschiff noch mehr aus dem Gleichgewicht, bis sich die Kammer merklich aufrichtete, um sich dann mit einem deutlich vernehmbaren Scheppern von dem sinkenden Wrack zu lösen.
Die Insassen kamen sich vor wie in einer Achterbahn mit Looping, als die Kapsel vom eigenen Auftrieb nach oben gerissen wurde. Giordino, der vom Kamow aus den Wasserspiegel des Sees absuchte, erinnerte der Anblick der auftauchenden Druckkammer an den Start einer Trident-Rakete von einem Atom-Unterseeboot der Ohio-Klasse. Nachdem die Welle weitergerollt und der abgerissene Bug des Bootes gesunken war, bemerkte er in unmittelbarer Nähe einen Schwall aufsteigender Luftblasen. Seiner Vermutung nach konnte er nur von der weißen Dekompressionskammer stammen, die sich in rund 25 Meter Tiefe befand und mit hoher Geschwindigkeit nach oben trieb. Die Kapsel tauchte mit der schmalen Seite zuerst auf, schoss dann gänzlich aus dem Wasser und schlug mit voller Wucht wieder auf. Als er näher heranschwebte, sah er, dass die Kammer offenbar dicht geblieben war und mühelos in der kabbeligen Dünung trieb.
Obwohl sie sich völlig zerschlagen fühlte, konnte sich Theresa vor Erleichterung kaum beherrschen, als sie durch das Bullauge den blauen Himmel sah und dann feststellte, dass sie ruhig im Wasser trieben. Nun strich ein Schatten über das Guckloch hinweg, und sie bemerkte den silbernen Hubschrauber des Instituts, der über ihnen schwebte. Erst jetzt, da es in der Kammer wieder heller war, wandte sie sich um und betrachtete ihre wild durcheinandergeworfenen Gefährten.
Bei dem turbulenten Aufstieg hatten sich alle Prellungen und blaue Flecken zugezogen, aber wie durch ein Wunder war niemand ernsthaft verletzt worden. Der Kapitän des Fischerbootes blutete aus einer hässlichen Platzwunde an der Stirn, und Wofford, der sich den Rücken gestaucht hatte, hockte mit schmerzverzerrter Miene da. Roy und die beiden Frauen hingegen waren nahezu ungeschoren davongekommen. Theresa fragte sich, wie viele Brüche und Schädelverletzungen sie wohl davongetragen hätten, wenn sie sich nicht unmittelbar vor dem Anbranden der Woge mit Decken und Polstern geschützt hätten.
Sobald sie wieder halbwegs zur Besinnung kam, dachte sie an Pitt und überlegte, ob der Mann, der sie gerettet hatte, diesen Mahlstrohm wohl überlebt hatte.
Der Leiter der NUMA war der Meinung gewesen, die Welle am besten im offenen Wasser überstehen zu können. Als erfahrener Surfer, der in Newport Beach aufgewachsen war, wusste Pitt, dass er unter der anbrandenden Woge hindurchtauchen und sie über sich hinwegrollen lassen musste, um möglichst wenig von ihrer Wucht abzubekommen. Nachdem er das Explorationsteam in der Dekompressionskammer eingeschlossen hatte, streifte er die Vollgesichtsbrille mit integriertem Lungenautomaten über, der an ein Dräger-Regenerationsgerät angeschlossen war, und sprang von der Bordwand des Fischerbootes. Sobald er auf dem Wasser aufschlug, schwamm er mit aller Kraft los, versuchte so weit wie möglich von dem Fischerboot wegzukommen und unter die Welle zu tauchen, bevor sie zuschlug. Doch es war ein paar Sekunden zu spät.
Er war kaum untergetaucht, als die Seiche-Welle über ihn hereinbrach. Statt unter ihr hindurchzugleiten wurde er zum Kamm emporgerissen. Pitt kam sich wie in einem Expressaufzug vor und spürte, wie sich sein Magen umdrehte. Doch im Gegensatz zu dem Boot, das auf der Welle schwamm, bevor es auseinanderbrach, befand er sich inmitten der Wassermassen und wurde eins mit der Woge.
Seine Ohren klangen vom Tosen der Mammutwelle, und das brodelnde Wasser raubte ihm jede Sicht. Dank des Kreislaufgeräts auf seinem Rücken und der Vollgesichtsbrille konnte er inmitten der wirbelnden Fluten immerhin atmen. Einen Moment lang hatte er das Gefühl, als fliege er durch die Luft, und teilweise genoss er es sogar, war sich aber bewusst, dass er jederzeit unter der Woge zerschmettert werden konnte. Er war sich allerdings auch darüber im Klaren, dass es sinnlos war, sich gegen die überwältigende Kraft des Wassers zu wehren, und so
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