Der Fluch des Koenigs
„Deine Schwester wird am Ende dieser Nacht tot sein. Genau wie du.“
Joesins schwerer Atem war über die Lichtung hinweg zu hören. Er schien alle Selbstdisziplin aufbieten zu müssen, um nicht kopflos loszustürmen. Seine Kiefer waren so fest aufeinander gepresst, dass Moa fürchtete, die Knochen würden jeden Moment brechen.
„Genug gespielt.“ Dargaros grinste siegessicher. „Tötet den Verräter!“ Seine Stimme krachte wie Donner über die Lichtung. Doch der Befehl verhallte wirkungslos. Ungläubig drehte Dargaros sich zu den Aschewesen um. Keines regte sich.
Wut verzerrte seine Stimme bis zur Unkenntlichkeit. „Der König befiehlt es!“, brüllte er. „Ihr seid Caruss Kreaturen und in seinem Namen befehle ich euch den Verräter zu reißen!“
Als übe der Name des Königs eine Macht über sie aus, sprangen einige Aschewesen vor, doch sie gerieten erneut ins Stocken, als Joesin sein Schwert über den Kopf hob und auf sie richtete. Es war, als würden die Schatten von unsichtbaren Fäden gehalten. Sie zuckten und zischten, schlugen um sich und fauchten, und versuchten die Fesseln zu sprengen, die sie hielten.
Joesins Stimme klang angespannt, doch obwohl er sie kaum erhob, konnte man ihn so deutlich hören, als stünde er neben jedem einzelnen Aschewesen und flüsterte ihm ins Ohr: „Bewegt euch nicht!“
Moa konnte seinen Befehl körperlich spüren. Es war, als fließe er durch den Boden, kroch ihr durch Mark und Bein und hielt sie fest.
Die Aschewesen rührten sich nicht, gefangen zwischen den Befehlen zweier ebenbürtiger Gegner. Über die eingefrorenen Körper hinweg, starrten Joesin und Dargaros sich hasserfüllt an.
„Mir scheint“, rief Joesin dem Aschejäger zu, „dass dieser Kampf sich allein zwischen uns entscheiden wird.“ Elegant trat er einen Schritt zurück und verbeugte sich, wobei er mit einer Hand eine einladende Geste vollführt als befände er sich auf königlichem Parkett und fordere den Aschejäger zum Tanz auf.
Dargaros stieß ein Knurren aus. Er hechtete über die Lichtung und prallte auf Joesin, der ihn mit erhobenem Schwert erwartete. Das Geräusch von Stahl auf Stahl klang schrill in Moas Ohren. Viel zu schnell für menschliche Bewegungen trafen die Schwerter aufeinander.
Dargaros trieb Joesins vor sich her. Heftige Hiebe prasselten auf ihn nieder wie eine Felslawine. Die Angriffe des Aschejägers besaßen die Wucht einer entfesselten Naturgewalt. Seine Bewegungen waren ruckartig und direkt, schiere Kraft lag hinter ihnen. Wenn ein solcher Schlag Joesin traf, würde er ihn vernichten.
Doch Joesin wich jedem von Dargaros Hieben geschickt aus. Seine Bewegungen waren so schnell und geschmeidig, dass er transparent und unwirklich erschien wie die Aschewesen selbst, unmöglich zu fassen, oder festzuhalten. Wenn nicht die tödlichen Klingen durch die Luft zucken würden, hätte Moa einzig die Schönheit von Joesins Kampfkunst bestaunen können. Er sprang vor, seine Klinge zielte auf Dargaros Hals gleich einem schwarzen Blitz. Dargaros schleuderte sie zur Seite und warf sich auf Joesin.
Der Zweikampf wogte über die Lichtung. Moa war derart davon eingenommen, dass es einige Momente dauerte, bis sie wahrnahm, dass die Aschewesen nicht mehr reglos am Rand standen. Mit wachsendem Grauen beobachtete sie die Schattengestalten, die sich wie in Trance immer näher auf Dargaros und Joesin zubewegten. Sie schienen von dem Kampf magisch angezogen zu werden. Ein unheimliches Zischen, ähnlich eines Flüsterns, breitete sich unter ihnen aus. Ihre Hände zuckten und krallten sich zusammen, als könnten sie kaum erwarten ein lebendiges Wesen zu zerreißen. Der Gestank von kalter Asche stieg Moa in die Nase.
Der Greif wich unvermittelt einen Schritt in die Mitte der Lichtung zurück, sichtlich darauf bedacht, einen bestimmten Abstand zwischen Moa und den Aschewesen zu belassen, ohne sie jedoch zu nahe an Dargaros und Joesin zu bringen. Das Gefieder in Rachs Nacken sträubte sich, er hob eine Pranke und öffnete drohend den Schnabel.
Der Kampf zwischen Joesin und Dargaros wurde immer heftiger und brutaler. Erschrocken stellte Moa fest, dass Joesin verletzt war. An Armen und Beinen hatte er Wunden erlitten, aus denen Rinnsale von Blut hervorquollen. Dennoch wirbelte er mit unverminderter Geschmeidigkeit um Dargaros herum und attackierte ihn von allen Seiten. Er holte zu einem mächtigen Schlag aus.
Bevor der Aschejäger sich herumwerfen und Joesins Klinge abwenden konnte, hatte sie
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