Der Fluch des Verächters - Covenant 01
Erde selbst eingegriffen, als sei auf ihr Eingreifen zugunsten des Rechtschaffenen Verlaß, zum Ausgleich des moralischen Ungleichgewichts, das mit dem Krieg einhergeht. Ach, Hölle und Verdammung! dachte Covenant übellaunig. Soll ich da vielleicht mitziehen?
Er umklammerte die Steingutflasche, als sei sie der einzige handfeste Gegenstand im Raum, und ging zum Balkon. Er trat auf die Schwelle und lehnte sich an die Einfassung der Türöffnung. Durch die Brüstung des Balkons sah er eine Tiefe von etwa hundert oder hundertfünfzig Metern; das Zimmer hatte Ausblick über die Vorhügel. Er wagte sich nicht an die Brüstung; schon jetzt empfand er die Andeutung eines Schwindelgefühls in seiner Magengegend. Aber er zwang sich dazu, wenigstens so lange nach draußen Ausschau zu halten, bis er sich orientiert hatte. Der Balkon befand sich an der Ostseite des Turms, und man konnte von dort aus einen großen Teil der Ebenen einsehen. Die spätnachmittägliche Sonne warf den Schatten des Vorgebirges ostwärts wie einen Schild, und im gedämpften Licht jenseits des Schattens wirkten die Ebenen vielfältig und farbenreich. Bläuliches Weideland, gepflügte braune Felder und frisch ergrünte Pflanzungen wechselten bis in weite Ferne miteinander ab, und dazwischen verliefen durch die Sonne versilberte Bänder von Flüssen nach Osten und Süden; die traubenartigen Flecken von Dörfern lagen verstreut wie ein dünnes Netzwerk der Wohnlichkeit auf den Feldern; nach Norden hin erstreckten sich immer breitere Flächen von blaurotem Heidekraut und grauem Farnkraut. Zu seiner Rechten sah Covenant in der Ferne den Weißen Fluß sich in die Richtung Trothgards winden. Der Anblick erinnerte ihn daran, wie er selbst an diesen Ort gelangt war – an Schaumfolger, Atiaran, andelainische Geister, Baradakas, einen ermordeten Wegwahrer. Aus den Vorhügeln schien ein Wirbelwind von Erinnerungen zu ihm heraufzubrausen. Atiaran hatte ihm die Schuld am Hinschlachten der Flammengeister gegeben. Und doch hatte sie sich ihrem gerechtfertigten Verlangen nach Vergeltung standhaft widersetzt, ihren gerechten Zorn unterdrückt. Wieviel Leid er ihr zugefügt hatte ...! Er zog sich zurück ins Innere seines Quartiers, schlurfte an den Tisch und setzte sich. Seine Hände bebten so stark, daß er nicht länger aus der Flasche trinken konnte. Er stellte sie ab, ballte beide Hände zu Fäusten, preßte seine Knöchel auf den harten Ring, den er überm Herzen verborgen trug. Ich werde nicht darüber nachdenken . Ein Stirnrunzeln verunstaltete seine Miene, als sei ihm die Kopfhaut verrutscht. Ich bin nicht Berek. An diesem Gedanken hielt er fest, bis das Rauschen gefährlicher Schwingen aus seinem Bewußtsein wich, die nervöse Übelkeit aus seinem Bauch verschwand. Dann lockerte er seine erstarrten Finger, öffnete die Klauen. Ohne auf die völlig unmögliche Empfindlichkeit seiner Finger zu achten, begann er zu essen. Auf dem Tisch befanden sich verschiedenes kaltes Fleisch, mehrere Sorten Käse, eine Auswahl von Obst sowie reichlich braunes Brot. Er aß mit Überlegung, aber desinteressiert, als sei er eine Puppe unter der Befehlsgewalt seines Willens, bis er nicht länger Hunger verspürte. Danach streifte er die Kleidung ab und genehmigte sich ein Bad, bürstete sich dabei gründlich ab und untersuchte seinen Körper mit aller Sorgfalt, um ganz sicher sein zu dürfen, daß er sich auch nicht die kleinste unbemerkte Verletzung zugezogen hatte. Anschließend begutachtete er die Kleidungsstücke, die man ihm bereitgelegt hatte, und legte schließlich eine hellblaue Robe an, die er eng um sich schließen konnte, so daß der Ring verborgen blieb. Mit Atiarans Messer rasierte er sich peinlich genau. Darauf wusch er im gleichen interesselosen Pflichtbewußtsein, aus dem er gegessen hatte, im Bad seine eigenen Kleider und hängte sie zum Trocknen über Stuhllehnen. Während der ganzen Zeit kreisten seine Gedanken nur um Ich werde nicht ... und Ich bin nicht ... Unterdessen breitete sich westwärts der Abend auch über Schwelgenstein aus, und als Covenant fertig war, schob er einen Stuhl an die Balkontür, so daß er von dort aus in die rauchige Abenddämmerung schauen konnte, ohne Verdruß mit der Höhe seines Quartiers zu haben. Die Dunkelheit schien sich jedoch aus dem unbeleuchteten Zimmer hinter ihm nach draußen in die weite Welt auszubreiten, als wäre seine Unterkunft die Quelle der Nacht. Schon nach kurzer Zeit schien die leere Luft in seinem Rücken von
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