Der Fluch des Verächters - Covenant 01
Unehrlichkeit von Worten zu unterscheiden. Für einen Augenblick besann sich Covenant auf Fouls Botschaft; doch dann wandte er sich zur Seite. »Nein«, sagte er in entschiedenem, trotzigem Ton. »Ich hebe es mir für den Großrat auf. Es genügt, wenn man derlei einmal ausspricht. Müßte ich zweimal davon reden, würde sich meine Zunge in Staub auflösen.« Mhoram nickte, als fände er sich damit ab. Doch fast unverzüglich richtete er eine weitere Frage an Covenant. »Erklärt deine Kunde auch die Besudelung des Mondes?«
Unwillkürlich blickte Covenant nach draußen und über den Balkon hinaus. Dort stand in seiner siechen Lahmheit wie ein Pestschiff faulig der Mond am Abendhimmel. Sein roter Schein glitt übers Land wie der Abklatsch eines manifest gewordenen krankhaften Hirngespinstes. »Er gibt nur an«, erwiderte Covenant, konnte jedoch nicht verhindern, daß seine Stimme sein heimliches Schaudern verriet. »Das ist alles. Er zeigt uns nur, was er alles fertigbringt.« Hölle und Verdammnis! schrie er innerlich. Verdammter Foul! Die Flammengeister waren hilflos. Was treibt er als Zugabe – Vergewaltigung von Kindern? »Ach«, stöhnte Lord Mhoram, »zu was für einem schlechten Zeitpunkt uns diese Heimsuchung ereilt!« Er verließ seinen Stuhl und schob eine hölzerne Wand vor die Balkontür. »Das Kriegsheer zählt weniger als zweitausend Krieger. Die Bluthüter sind nur fünfhundert an der Zahl – ein bloßes Häuflein für alles andere als die Verteidigung Schwelgensteins. Und es gibt nur fünf Lords. Davon sind zwei alt und stehen an den Grenzen ihrer Kräfte, und keiner von allen hat mehr als nur das Geringste von Kevins Erstem Kreis des Wissens. Wir sind schwächer, als Erdfreunde es jemals in der Geschichte des Landes gewesen sind. Alle gemeinsam können wir in Kurash Plenethor kaum Unkraut zum Wachsen bringen.« Er kehrte an seinen Platz zurück. »Wir waren einst mehr«, erklärte er, »doch vom Geschlecht, das uns vorausging, haben fast alle unsere Besten an der Schule der Lehre sich den Segen der Freischüler erteilen lassen. Binnen fünfzehn Jahren habe als einziger ich mich der Prüfung unterzogen und bin Lord geworden. Ach und weh, ich spüre in meinem Herzen, daß wir diesmal anderer Kräfte bedürfen.« Er klammerte die Fäuste um seinen Stab, bis die Knöchel sich weiß abzeichneten, und für einen Moment sah man in seinen Augen sein Gespür für das Ausmaß der Notlage.
»Dann richte deinen Freunden aus, sie sollen sich auf alles gefaßt machen«, riet Covenant ihm schroff. »Was ich ihnen zu sagen habe, wird ihnen nicht gefallen.«
Aber Mhorams Haltung lockerte sich langsam wieder, als habe er Covenants Warnung nicht mitbekommen. Einen Finger um den anderen entkrampfte er seine um den Stab gelegten Hände, bis der Stab unberührt quer über seinem Schoß ruhte. Dann lächelte er verhalten. »Thomas Covenant, es ist nicht völlig ohne Grund, daß ich annehme, in dir keinen Feind sehen zu müssen. Du besitzt einen Lillianrill -Stab und ein Rhadhamaerl -Messer ... ja, und der Stab hat schon einen Kampf gegen einen starken Widersacher erlebt. Und ich habe bereits mit Salzherz Schaumfolger gesprochen. Andere haben dir bereits Vertrauen entgegengebracht. Ich bezweifle, daß du ohne das Vertrauen von Bewohnern des Landes deinen Weg zu uns bewältigt hättest.«
»Hölle!« fuhr Covenant auf. »Ihr alle seht das verkehrt.« Seine Worte fielen wie nach einem falschen Ebenbild geworfene Steine. »Ich bin dazu gezwungen worden. Es war nicht mein Einfall. Seit diese ganze Sache losging, habe ich keine Wahl gehabt.« Er tastete mit den Fingerkuppen über seine Brust, um sich an die einzige Wahl zu erinnern, die er noch hatte.
»Widerwilligkeit«, sagte Mhoram nachsichtig. »Also nennt man dich aus gutem Grund ›Zweifler‹. Na, lassen wir's dabei bewenden! Wir werden deinen Bericht morgen vorm Großrat anhören. Nun habe ich dir leider wenig Gelegenheit gegeben, um mir Fragen zu stellen. Aber die Zeit des Abendgebetes ist da. Möchtest du mich begleiten? Wenn du's wünschst, können wir uns unterwegs unterhalten.«
Covenant nickte sofort. Trotz seiner Mattigkeit war er darauf versessen, jede Möglichkeit zur Betätigung wahrzunehmen, seinen Geist zu beschäftigen. Die Unannehmlichkeit des Ausgefragtwerdens war nur weniger abscheulich als das unangenehme Drängen der Fragen, die er zu gerne bezüglich des Weißgolds gestellt hätte. Um dieser verwickelten Krise zu entgehen, stand er
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