Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman
betreten. Den Grund dafür konnte ich nicht erfahren. Wahrscheinlich irgendeine Familienfehde. Nach seinem Tod ist Lady Sarah zurückgekommen. Sie hat sogar versucht, Pilgrim Hall zurückzukaufen. Das war in den Sechzigern, und inzwischen hatte das Haus einen riesigen Anbau bekommen und war zu einem Hotel geworden. Ich bin ihr einmal begegnet; ich hatte die Broschüre über Pilgrim Hall schon geschrieben, und sie wollte ein Exemplar haben. Das muß Mitte, Ende der sechziger Jahre gewesen sein, weil Ihr Vater Philip schon tot war – dieser schreckliche Reitunfall, wirklich traurig, aber wahrscheinlich wissen Sie das alles schon. Sie machte mir den Vorschlag, über Belheddon zu schreiben. Sie hat wirklich abschätzig über das Haus gesprochen und gemeint, es wäre verflucht. Ihrer Ansicht nach war Laura verrückt, hier wohnen zu bleiben, aber offenbar konnte Laura sich nicht losreißen. Ich weiß noch, daß sie mir sagte, sie sei auf das Haus fixiert. Sie wanderte allein herum, sogar nachts, stundenlang, und redete manchmal mit sich selbst.« Er warf Joss einen Blick zu. »Als Laura Sie zur Adoption freigab, hielt Lady Sarah sie für endgültig durchgedreht. Das ganze Dorf stellte sich gegen Ihre Mutter, sie war praktisch eine Ausgestoßene. Lady Sarah sagte, sie würde nie wieder mit ihr reden, und bald darauf ist sie irgendwo nach Nordengland gezogen.« Zögernd fuhr er dann fort: »Was mich gelockt hat, war ihre Bemerkung, das Haus sei verflucht. Normalerweise glaube ich nicht an solche Sachen…«, er lächelte beinahe entschuldigend, »… aber dieses Haus ist vom Unglück regelrecht verfolgt worden.«
»So viele Kinder sterben hier.« Unbewußt legte Joss schützend die Hände auf ihren Bauch.
»Sie sollten sich nicht zu viele Gedanken darüber machen«, meinte er beschwichtigend. »Die hohe Sterblichkeitsrate ist natürlich beängstigend, aber vergessen Sie nicht, das war früher durchaus normal.«
»Wahrscheinlich.« Sie blickte auf die aufgeschlagene Seite vor sich:
Vier große Flüsse entspringen in Belheddon Ridge, einem sandigen Kiesabfall, der die Lehmböden East Anglias von Osten nach Westen durchzieht und meilenweit zu sehen ist. Dieser Ort bot sich verständlicherweise bereits in der Frühzeit zur Besiedlung an, und tatsächlich lassen archäologische Funde auf eine eisenzeitliche Siedlung unter dem westlichen Rasen des heutigen Hauses schließen …
Neugierig blätterte sie weiter. »Offenbar hat keine Familie jemals länger hier gelebt«, sagte sie schließlich. »In den Briefen und Tagebüchern, die ich gelesen habe, und in der Familienbibel stehen so viele verschiedene Namen, obwohl sie anscheinend verwandt sind.«
»Weibliche Erblinie.« Andrews nahm sich noch einen Keks. »Das kommt vor. Sie werden feststellen, daß das Haus fast immer an die Töchter vererbt wurde, und deswegen hat sich der Nachname natürlich mit jeder Generation geändert. Allerdings nicht immer. Gelegentlich stand das Haus leer, und manchmal war es auch verpachtet, aber letzten Endes, so scheint es, ist es immer wieder an irgendeinen Verwandten zurückgefallen. Es war länger im Besitz einer einzigen Familie, als Sie vielleicht denken.«
»Wirklich?« fragte sie gebannt. »Aber wir stammen doch nicht von den de Veres ab, oder?«
»Mit größter Wahrscheinlichkeit schon. Das hat mich wirklich fasziniert, wie ich auch Dr. Tregarron sagte. Leider hatte ich nicht genug Zeit, um nach allen Einzelheiten zu forschen – aber wenn es Sie interessiert, könnten Sie einen Genealogen damit beauftragen. Matrilineare Erbfolge ist ein interessantes Phänomen. Wir sehen darin etwas Außergewöhnliches, aber für manche Leute ist Vererbung über die weibliche Linie ganz normal. In
diesem Fall war es allerdings wohl keine bewußte Entscheidung, es hat sich einfach so ergeben. Es gab keine Söhne.« Er steckte sich den Keks in den Mund und warf einen Blick auf die Uhr. »Ich möchte ja nicht aufdringlich erscheinen, Mrs. Grant, aber Sie sagten, ich könnte mir einige der Räume ansehen.«
»Natürlich.« Widerstrebend legte Joss die Broschüre beiseite. »Ich zeige Ihnen das Haus.«
Im Verlauf der nächsten Stunde bekam Joss einen konzentrierten, atemlosen und begeisterten Vortrag über das englische Herrenhaus, einschließlich Stuckarbeit, Kannelierung, Verputz, Stuckatur, Fresko (»mit großer Wahrscheinlichkeit ist eines unter dieser Vertäfelung. Das Holz soll es schützen, wissen Sie«), Treppenaufgänge, Sonnenräume,
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