Der Fluch von Melaten
Zumindest hörte ich nichts von ihm. Dafür löste sich seine starre Haltung auf, und er streckte beide Arme vor, wobei er die Hände zusammengelegt hatte und so eine fast bittende Haltung zeigte.
Auf seinem Gesicht zeigte sich ebenfalls eine Veränderung. Die Starre fiel ab. Seine Wangen zuckten, die Lippen ebenfalls. Es bedurfte bei ihm erst eines innerlichen Anlaufs, um auf meine Frage zu reagieren.
Dann brach es aus ihm hervor, und ich hatte den Eindruck, einen kleinen Jungen zu erleben, der lange nach seiner Mutter gesucht und sie endlich gefunden hatte.
»Mutter!«, stieß er hervor. »Mutter... ich... ich... bitte, Mutter. Du bist es...?«
Noch hatte er geflüstert, aber die Worte waren laut genug gewesen, um von einer bestimmten Person verstanden zu werden, denn die Gestalt mit den roten Haaren nickte.
Sie also!
»Du?«, schrie Justus.
Er konnte es nicht fassen. Er schüttelte den Kopf. Er sah aus, als wollte er starten, und schaute zu, wie ihm die rothaarige Person zunickte. Sie wollte ihn, sie lockte ihren »Sohn«, und die beiden anderen Männer wurden ebenfalls unruhig.
Ich war mir sicher, dass auch sie von den beiden anderen Wesen als Söhne gesehen wurden und es auch spürten. Und ich ging weiter davon aus, dass die Frauen erschienen waren, um ihre Söhne zu sich zu holen. Genau das musste ich verhindern.
Deshalb peitschte meine Stimme durch die Stille. »Bleibt, wo ihr seid, verdammt!«
Im ersten Augenblick hatte mein heftiger Ton sie erschreckt, aber sie dachten nicht im Traum daran, mir zu gehorchen. Den Anfang machte Justus Schmitz. Da reagierte er wirklich wie ein Sohn, der von seiner Mutter gerufen worden war.
Er lief los!
Auch die beiden anderen Männer setzten sich in Bewegung. Die drei Frauen in der Geisterwelt hatten ihre Haltungen verändert. Sie waren auseinander gegangen und streckten die Arme nach vorn, um ihre Söhne willkommen zu heißen.
Auf keinen Fall durften sie in der Vergangenheit verschwinden. Ich musste den Weg wieder schließen und unterbrach den Kontakt zwischen Kreuz und Mauer.
Das Licht verschwand.
Normalität breitete sich aus.
Aber ich hatte auch erlebt, dass sich die drei Gestalten im letzten Augenblick gelöst hatten. Nebelstreifen huschten an mir vorbei. Ich spürte den kalten Hauch, der mich zuckend streifte, und dann waren die Toten oder Totengeister aus ihrer Welt in die Gegenwart eingedrungen und kümmerten sich um ihre Söhne...
***
Ich stand allein. Hätte ich Helfer gehabt, hätten die Dinge anders ausgesehen. Zumindest hätte ich das Schlimmste verhindern können. So aber kam ich mir vor wie der einsame Held in einem Film, der eine Niederlage erleben muss.
Die Gestalten waren so schnell, dass ich überhaupt nicht reagieren konnte. Sie suchten sich die verschiedenen Ziele aus. So jagte das Wesen mit den roten Haaren auf Justus Schmitz zu. Die Blonde kümmerte sich um den Mann mit dem Oberlippenbart, und die braunhaarige Geisterfrau nahm sich den Jüngsten vor.
Alle drei griffen zusammen an. Sie umtanzten die Körper wie ein zuckendes Licht, und dann huschten sie hinein, als wäre ihnen kein Widerstand entgegengesetzt worden.
So schnell konnte ich gar nicht sein, um dies zu verhindern. Bisher hatte Justus auf meiner Seite gestanden, und die anderen beiden hatten sich zumindest neutral verhalten.
Daran war jetzt nicht mehr zu denken. Sie wurden von anderen Mächten geleitet, und ich war für sie zu einem Feind geworden, der sie stoppen wollte.
Ich musste davon ausgehen, dass nicht sie es waren, die auf mich zurannten. Zumindest lag es nicht direkt in ihrem Verantwortungsbereich, aber sie griffen an, und sie waren so schnell, dass ich nicht handeln konnte.
Justus sprang mich einfach an. Als er sich im Flug befand, sah ich sein Gesicht. In seinen Augen leuchtete es weiß und kalt. Ich las darin einen gewissen Fanatismus. Einer wie er würde seine Aufgabe bis zum bitteren Ende durchziehen.
Ich kam nicht mehr weg.
Wir prallten zusammen. Hände wollten nach meiner Kehle greifen. Beim Zurückweichen schlug ich sie zur Seite und setzte auch einen kurzen Haken nach, der den Kollegen am Kinn erwischte und ihn zunächst zurückschleuderte.
Er blieb auf dem Rücken liegen, aber die beiden anderen Männer waren nicht ausgeschaltet. Sie griffen mich von verschiedenen Seiten an, und ich hätte sie auch geschafft, hätte sich nicht einer von ihnen einen Stein besorgt, den er in seiner rechten Hand hielt.
Damit schlug er zu.
Er traf genau!
Ich wurde am
Weitere Kostenlose Bücher