Der Flug der Stoerche
transplantieren, erfolgreich, und das zu einer Zeit, als die Erfolge auf diesem Gebiet eher spärlich waren.«
Catherine Warel machte sich ausführliche Notizen. Dann fragte sie: »Woher kommt er ursprünglich?«
»Das weiß man nicht genau. Er ist jedenfalls französischsprachig.«
»Wissen Sie, wann er sich in Afrika niedergelassen hat?«
»Nein.«
»Glauben Sie, daß er immer noch dort ist?«
»Nein.«
»Sie haben nicht die geringste Ahnung, wo er sich derzeit aufhalten könnte?«
»Ich glaube, er arbeitet mit Monde Unique zusammen.«
»Der humanitären Organisation? - Ausgerechnet?«
»Ich glaube, daß er ihre Infrastruktur benutzt, um seine teuflischen Experimente durchzuführen. Frau Dr. Warel, ich schwöre Ihnen, ich sage die Wahrheit. An jedem Tag, der vergeht, kann der Alptraum wieder passieren. Der Mann macht weiter, verstehen Sie? Vielleicht quält er in diesem Augenblick irgendwo auf der Welt wieder ein unschuldiges Kind.«
In ihrem schroffen Ton sagte Warel: »Jetzt übertreiben Sie mal nicht. Ich werde ein paar Telefonate führen und hoffe, Ihnen die gewünschten Auskünfte heute abend, spätestens morgen geben zu können. Aber ich verspreche nichts.«
»Glauben Sie, daß Sie sich die Namensliste der Ärzte bei Monde Unique verschaffen können?«
»Schwierig. Die Organisation ist nach außen hin sehr verschlossen. Ich will sehen, was ich tun kann.«
»Wenn ich recht habe, Frau Dr. Warel - und wenn der Mörder nicht seinen Namen geändert hat -, dann decken sich die beiden Angaben. Handeln Sie so schnell wie möglich.«
Mit ihren schwarzen Augen sah mich Catherine Warel unerwartet eindringlich an. Wir standen einander gegenüber auf dem glänzenden Linoleumboden, in einer Ecke des Korridors; ich erwiderte ihren Blick - der angespannt, aber zuversichtlich war. Ich war mir sicher, daß sie die Polizei nicht benachrichtigen würde.
47
Gegen zweiundzwanzig Uhr war ich wieder in Paris. Ich hatte weder eine Antwort von den Botschaften und Gerichten erhalten noch eine Nachricht von Dr. Warel; nur Milan Djuric hatte mir den Autopsiebericht über Rajko Nikolitsch geschickt.
Ich nahm eine heiße Dusche und machte mir Rühreier mit Lachs und Kartoffeln, dann trank ich russischen Tee, dunkel und stark, und legte mich ins Bett in der Hoffnung auf Schlaf, meine Glock hatte ich in Reichweite. Kurz vor Mitternacht läutete das Telefon; es war Catherine Warel.
»Und?« fragte ich gespannt.
»Im Augenblick habe ich noch nichts. Aber morgen früh soll ich die Namen der Ärzte aus dem französischen Sprachraum bekommen, die zwischen 1960 und 1980 in Zentralafrika gearbeitet haben. Außerdem habe ich mich mit ein paar langjährigen Freunden in Verbindung gesetzt, die mir nähere Auskünfte geben können. Was Monde Unique betrifft, so besteht keine Chance, daß sie die Namensliste ihrer Ärzte rausrücken. Aber es ist noch nicht alles verloren. Ich kenne nämlich einen jungen Augenarzt, der vor kurzem dort eingestellt wurde, und er hat versprochen, mir zu helfen.«
Ein Mißerfolg auf der ganzen Linie. Und die Zeit lief unerbittlich weiter. Ich ließ mir meine Enttäuschung aber nicht anmerken, sondern sagte: »Sehr gut. Ich danke Ihnen für das Vertrauen, das Sie in mich setzen.«
»Keine Ursache. Ich war ziemlich viel auf Achse, wissen Sie. Was Sie mir heute nachmittag erzählt haben, übersteigt sämtliche Vorstellungen.«
»Ich werde Ihnen alles sagen, was ich weiß - sobald ich es weiß.«
»Passen Sie auf sich auf. Ich rufe Sie morgen abend weder an.«
Mit leerem Kopf legte ich auf. Geduld, sagte ich mir, hab Geduld.
Es war noch nicht hell, als das Telefon abermals läutete. Mühsam rappelte ich mich hoch und hob den Hörer ab, wobei ich einen Blick auf den Quarzwecker auf dem Nachttisch warf. 5 Uhr 24. »Hallo?« knurrte ich schlaftrunken.
»Louis Antioche?« dröhnte eine sehr tiefe, sehr laute Stimme mit starkem orientalischem Akzent.
»Ja. Wer ist am Apparat?«
»Itzhak Delter, der Anwalt von Sarah Gabbor.«
Ich fuhr auf, mit einemmal hellwach. »Ich höre«, sagte ich, diesmal deutlich.
»Verzeihen Sie, daß ich Sie so früh störe, es ging nicht anders. Ich bin in Brüssel. Ich glaube, Sie haben gestern hier in der Botschaft angerufen und wollen Sarah Gabbor treffen, stimmt das?«
»So ist es.«
Der Mann räusperte sich in der Stimmlage eines Kontrabasses. »Sie werden verstehen, daß das beim derzeitigen Stand der Dinge extrem schwierig ist.«
»Ich muß sie sehen!« rief
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