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Der Flug der Stoerche

Der Flug der Stoerche

Titel: Der Flug der Stoerche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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nach Südafrika. Bis zu zwanzigtausend Kilometer umfaßt die Reise.
    Von den zwanzig Störchen, die mit Sendern ausgerüstet waren, hatten zwölf sich für die Ostroute entschieden: von Berlin aus durchquerten sie Ostdeutschland, flogen über Dresden durch Polen in die Tschechoslowakei und kamen schließlich nach Bratislava, wo ich auf sie wartete. Die Satellitenüberwachung funktionierte großartig, Ulrich Wagner war begeistert. »Es ist phantastisch«, schwärmte er am Telefon, als ich ihn am dritten Abend anrief. »Jahrzehnte haben wir gebraucht, um anhand der Beringung wenigstens eine annähernde Route bestimmen zu können. Dank diesen Sendern kennen wir jetzt innerhalb eines Monats die exakte Flugstrecke der Störche!«
    Während dieser Tage kam es mir vor, als hätten der Schweizer und seine Geheimnisse niemals existiert. Doch am Abend des 23. August erhielt ich im Hotel ein Fax von Hervé Dumaz - ich hatte ihm meine Abreise mitgeteilt, ihn jedoch darauf hingewiesen, daß ich, im Moment jedenfalls, die Absicht hatte, mich lediglich um die Störche, nicht um Max Böhms Vergangenheit zu kümmern. Der Inspektor von der Bundespolizei hingegen hatte für den alten Schweizer Feuer gefangen. Sein erstes Fax war geradezu ein Roman, lang und ausführlich und verfaßt in einem nervösen, knappen Stil, der in scharfem Gegensatz zu seiner sonstigen verträumten Sanftheit stand. Außerdem schrieb er in einem freundschaftlichen Ton, der von der Stimmung während unserer letzten Begegnung merkwürdig abwich:
     
    Von: Hervé Dumaz An: Louis Antioche, Hilton Hotel,
    Bratislava
    Montreux, 23. August 1991,20.00 Uhr
    Lieber Louis,
    wie verläuft Ihre Reise? Ich komme recht gut voran. Nach viertägiger Ermittlung habe ich folgendes herausgefunden:
     
    Max Böhm wird 1934 in Montreux geboren. Seine Eltern sind Antiquitätenhändler, er ist das einzige Kind. Er studiert in Lausanne und macht mit 26 sein Ingenieursdiplom. Drei Jahre später, 1963, reist er im Auftrag des Ingenieursunternehmens SOGEP nach Mali. Er beteiligt sich an der Studie für einen geplanten Dammbau im Nigerdelta. Die politischen Unruhen zwingen ihn 1964 zur Rückkehr in die Schweiz. Danach geht Böhm nach Ägypten, wieder im Auftrag von SOGEP, und arbeitet am Assuan-Staudamm mit. 1967 kehrt er aufgrund des Sechstagekriegs nach Hause zurück. Nach einem Jahr in der Schweiz bricht Böhm 1969 nach Südafrika auf, wo er zwei Jahre bleibt. Diesmal arbeitet er für De Beers Ltd.. den weltweit größten Diamantenproduzenten. Er leitet den Bau von Infrastrukturen für die Minen. Im August 1972 läßt er sich in der Zentralafrikanischen Republik nieder. Zu dem Zeitpunkt befindet sich das Land in der Hand von Jean-Bedel Bokassa.
    Böhm wird technischer Berater des Präsidenten. Seine Aktivitäten finden auf mehreren Fronten gleichzeitig statt: Bauwesen, Kaffeeplantagen, Diamantenminen. 1977 klafft eine Lücke von etwa einem Jahr. Erst 1979 findet sich seine Spur wieder, diesmal in der Schweiz, Montreux. Er scheint verbraucht zu sein, die Jahre in Afrika haben ihn ausgelaugt. Mit 45 kümmert sich Böhm nur noch um seine Störche. Alle Leute, die ich kontaktiert habe, ehemalige Kollegen, mit denen er im Ausland zusammengearbeitet hat, zeichnen dasselbe Bild von ihm: Böhm war ein brutaler unnachgiebiger gefühlloser Mensch. Für die Störche hingegen empfand er eine Leidenschaft, die an Besessenheit grenzte.
    Bezüglich seines Privatlebens habe ich einige interessante Entdeckungen gemacht. 1962, mit 28 Jahren, lernt Böhm seine Frau Irene kennen und heiratet sie gleich darauf. Ein paar Monate später kommt ein Sohn auf die Welt, Philipp. Anscheinend hängt Böhm sehr an seiner Familie, sie begleitet ihn überallhin und paßt sich an die sehr unterschiedlichen klimatischen und kulturellen Bedingungen an. Anfang der siebziger Jahre jedoch verliert Irene die Lust. Sie kehrt häufig in die Schweiz zurück und dehnt die Zeit zwischen ihren Besuchen in Afrika immer mehr aus, allerdings schreibt sie Mann und Sohn regelmäßig. 1976 siedelt sie sich endgültig in Montreux an. Im Jahr darauf stirbt sie an Krebs - ungefähr um diese Zeit verschwindet Max Böhm. Von dem Zeitpunkt an verliert sich auch jede Spur des Sohnes, der mittlerweile 15 ist. Man hört nie wieder was von ihm. Auch beim Tod seines Vater tritt Philipp Böhm nicht in Erscheinung. Ist er ebenfalls tot? Lebt er im Ausland? Das sind Fragen ohne Antwort.
    Nichts Neues weiß ich über Max Böhms Vermögen. Laut Analyse

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