Der Fluß
und feuchten Lippen laute Witzeerzählen, die nicht zum Lachen sind. Ich bin überrascht von meiner heftigen Antipathie, aber denke an das, was mir Rebecca erzählte, über ihre Eskapaden in der Sorgenfrigata am hellichten Tag. Es ist unfaßbar für mich. Ich lasse es nicht zu, daß er über Rebeccas Körper verfügt, ihre Hingabe, ihre Lebensklugheit. Das finde ich um Rebeccas willen unerträglich. Sie verdient etwas Besseres. Ist das wirklich der Mann, den sie zu ehelichen gedenkt, mit dem sie ihr Leben teilen will? Ist das das Glück, von dem sie gesprochen hat und für das sie bereit war, alles zu opfern?
Er geht direkt auf mich zu, übersieht Marianne Skoog völlig. »Du mußt Aksel Vinding sein«, sagt er.
»Stimmt«, sage ich.
Er schüttelt mir mit antrainierter Herzlichkeit die Hand. Die Wirkung ist erschreckend, denn seine Augen sind voller Zorn.
»Weißt du, daß du bei Rebeccas Hochzeit nach Weihnachten Trauzeuge sein wirst?« sagt er.
»Nein«, sage ich. »Welche Ehre.«
»Christian!« Rebecca hat Tränen in den Augen.
»Ach Entschuldigung«, sagt er, mit der Hand vor dem Mund. »Das ist mir so herausgerutscht.«
Ja, denke ich. Er gehört zu der Sorte, die alles niederwalzen. Rebecca hatte diese Anfrage vielleicht seit Monaten vorbereitet, wollte sie bei einem besonderen Anlaß formulieren, vielleicht als Brief. Und er hat alles zerstört.
»Darf ich Marianne Skoog vorstellen«, sage ich, um die peinliche Situation so schnell wie möglich zu entschärfen. »O Verzeihung«, sagt Christian.
Sie geben sich höflich die Hand, und Rebecca beruhigt sich wieder. Aber sie wirft mir einen resignierten Blick zu. So hatte sie sich das nicht vorgestellt.
Auf dem Weg hinaus auf die Straße entsteht diese unerträgliche, höfliche Smalltalk-Situation. Rebecca nimmt mich zur Seite.
»Ich sehe dir an, daß du bereits mit ihr geschlafen hast«, flüstert sie mir wütend ins Ohr.
»Und wie siehst du das?« fauche ich zurück.
»Ich sehe es an deinen Augen. An deinem schamlosen Blick!«
»Und falls. Hätte ich etwas Verbotenes getan?«
»Etwas Verbotenes?« Sie kehrt die Augen gen Himmel. »Ich vergöttere diese Frau mehr und mehr, nachdem ich jetzt weiß, welche Rolle sie im Verein Sozialistischer Ärzte spielt. Aber sie ist fünfunddreißig Jahre alt, Aksel, und ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob sie die Richtige für dich ist. Außerdem hast du kein Recht, von dem abzulenken, was ich dich gefragt habe. Bestätigst du meine Vermutung?«
Ich nicke. »Fünfunddreißig Jahre sind kein Alter.«
Rebecca schnaubt.
»Und ich weiß nicht einmal, wie Christian mit Nachnamen heißt«, sage ich hilflos.
»Er heißt Langballe«, sagt sie. »Das findest du sicher witzig.«
Ich lasse mir nichts anmerken. Ich finde es einfach traurig, daß so ein Typ sie bekommen hat. »Warum suchen sich die begabtesten Frauen immer die größten Scheißkerle aus«, hätte ich am liebsten gesagt. Aber ich sage es nicht.
Christian Langballe geht vor uns, zusammen mit Marianne Skoog. Er dreht sich zu uns um, während wir reden. Ich versuche zu lächeln. Worüber unterhält er sich mit Marianne Skoog? Ich bin privilegiert. Ich habe gerade ein wichtiges Gespräch mit ihr gehabt. Außerdem bin ich ihr Liebhaber. Sie sieht wirklich gut aus. Ihre Beine tragen sie heute. Der zielbewußte und elegante Gang, den auch Anja hatte.
»Du kannst mich auf so viele Arten betrügen«, sagtRebecca ernst und kneift mich fest in den Arm. »Aber nicht auf diese.«
»Es dreht sich hier nicht um dich, Rebecca«, sage ich, jetzt fast ärgerlich.
»Nicht?« Sie schaut mich mit ihren großen, blauen, traurigen Augen an. »Ich kenne dich am besten, Aksel. Ob du es glaubst oder nicht. Kein anderer kennt dich wie ich. Du wählst jetzt falsch. Du wählst eine Frau, die mehr von dir verlangt, als sie dir zurückgeben kann. Denk an die Situation, in der sie ist. Und denk an deine. Sie wird alles von dir fordern. Aber Selma Lynge wird auch alles von dir fordern. Hast du daran gedacht?«
»Ich habe jetzt keine Lust, darüber zu reden«, sage ich.
»Wohin wollt ihr?« sagt sie verdrossen.
»Wir wollen uns ›Woodstock‹ anschauen«, sage ich.
»Was für ein Zufall«, sagt Rebecca.
Woodstock
Wir sitzen im Kino. Marianne Skoog ist wieder nervös und ißt Schokoladekugeln. Ich sitze neben ihr, habe den Arm um sie gelegt. Und Gottes Engel, die über die Zufälle in unserem Leben wachen, sind heute boshaft, denn Rebecca Frost sitzt neben mir und Christian
Weitere Kostenlose Bücher