Der Fluß
daß ich mich auf die Signale, die sie mir gibt, nicht verlassen kann, daß ein Chaos in ihr ist, daß ich behutsam sein muß. Aber ich liege im Bett und warte auf sie. Ich ertrage jetzt keine Zurückweisung. Ich liege ganz still. Ich akzeptiere es nicht, daß sie mir bereits eine gute Nacht gewünscht hat.
Sie kommt, als ich bereits eingeschlafen bin.
Sie kriecht zu mir unter die Decke.
»Entschuldigung«, sagt sie. »Ich wollte dich nicht wecken. Darf ich hierbleiben? Seit du ins Haus gekommen bist, fällt es mir schwer, allein zu schlafen.«
Ich bin hellwach.
»Ich habe gehofft, daß du kommst«, sage ich.
Sie schmiegt sich wie eine Katze an mich.
Ich habe keine Ahnung, wie spät in der Nacht es ist. Ich weiß nur, daß ich nicht imstande bin, zu schlafen. Eine kleine Handbewegung, dann weiß ich, daß es ihr genauso geht. Wir necken einander, berühren uns vorsichtig an Stellen, die mehr von uns fordern, aber nicht sofort. Es ist ein Spiel in der Dunkelheit. Sie ist langsam. Ich werde nervös. Ich denke an die zusammengekniffenen Augen.
»Entspann dich«, sagt sie. »Nur ganz ruhig. Nicht denken. Das ist nicht schlimm.«
Aber das nehme ich nicht hin. Ich bin doch erregt. Auch wenn sie es nicht spüren kann, hat sie mich doch erregt. Aber der vernünftige, fast leidenschaftslose Klang ihrer Stimme verunsichert mich noch mehr. Nein, denke ich verzweifelt, während sie auf ihre erfahrene Art vergeblich versucht, mich anzutörnen. So darf das nicht enden!
»Nein Aksel, so nicht. Du bist jetzt zu überdreht. Vielleicht sollten wir besser schlafen.«
Sie merkt, daß ich unbedingt will. Ich versuche mir, aufreizende Dinge vorzustellen. Ich habe eine kleine Fotoserie in meinem Kopf, aber es hilft nichts. Ich versuche, an Anja zu denken, bevor sie so dünn war. Aber das sind doch kranke Gedanken, fällt mir ein. An ihre Tochter zu denken. Dann denke ich an Rebecca. Die letzte Nacht mit ihr im Sommerhaus. Das hilft auch nicht. Panik erfaßt mich. Ist das eingetreten, worüber ich gelesen habe? Impotenz? So verdammt ungerecht in einer Nacht wie dieser. Sie hat michja. Sie kann mich mit einem Finger locken. Ich bin wann und wo auch immer für sie da. Ich bin bereit, um ihretwillen das Debüt abzusagen. Ich bin bereit, meine Wohnung in der Sorgenfrigata zu verkaufen, das Leben neu zu gestalten, das Abitur zu machen, ebenfalls Arzt zu werden, bin bereit, sie auf dem Rücken durch ganz Oslo zu tragen. Man kann nicht einen solchen gemeinsamen Tag wie diesen erleben, ohne daß sich etwas verändert, ohne daß etwas Ernstes zu wachsen beginnt. Und das möchte ich ihr vermitteln, kann es aber weder mit Worten noch mit meinem Körper. Was denkt sie jetzt von mir? Fühlt sie sich abgewiesen?
Ich ertrage den Gedanken nicht, daß sie sich abgewiesen fühlen könnte.
»Das ist nicht schlimm«, wiederholt sie.
»Für mich ist es schlimm«, sage ich.
»Mache ich etwas falsch?« sagt sie kameradschaftlich.
Ich schüttle den Kopf. Ich denke an ihren weißen BH im Regen, den bald die ganze Welt gesehen haben wird.
»Du bist so schön.«
»Schluß damit, hörst du? Ich bin eine ganz gewöhnliche Frau. Keine Beatrice. Kein Gretchen. Außerdem bin ich eine gefallene Frau. Du darfst mich nicht mystifizieren.«
»Entschuldigung«, sage ich.
»Sag auch nicht mehr Entschuldigung! Herrgott, jetzt läuft ja alles schief. Möchtest du, daß ich wieder in mein Zimmer gehe?«
»Nein«, sage ich mit Panik in der Stimme. »Das auf keinen Fall.«
»Wir haben morgen einen Arbeitstag.«
»Trotzdem. Du kannst doch jetzt nicht gehen!«
»Na gut«, sagt sie mit einem Seufzer, »aber was kann ich denn für dich tun?«
»Warum kneifst du die Augen zusammen?« sage ich.
»Wann?«
»Du weißt, wann.«
Sie streicht mir über den Kopf. Überlegt, bevor sie antwortet.
»Weil ich dich genieße«, sagt sie. »Aus keinem anderen Grund. Findest du das dumm? Ich spüre dich so intensiv. Erkenne mich in dir wieder. Darüber solltest du dich freuen.« Sie küßt mich auf den Mund. Eine beruhigende Liebkosung.
Ich glaube ihr nicht.
Ich kriege es nicht hin. Und trotzdem will ich sie haben. Da küsse ich sie dort unten. Sie wirkt überrascht, aber nicht abgeneigt.
»Das habe ich noch mit keiner Frau gemacht.«
»Hab keine Angst«, sagt sie.
Das Vertrauen, das sie mir zeigt, rührt mich. Sie wird wie ein kleines Mädchen in meinen Händen. Sie kommt schnell und fängt wieder an zu weinen. Ein kleines, schmerzerfülltes und hilfloses
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