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Der Frauenjäger

Der Frauenjäger

Titel: Der Frauenjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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saß auch schon. Das war eine fließende Bewegung, die es ihr ersparte, die Trittleiter hin und her zu tragen, wenn sie das Fenster putzen, die Weihnachtsdeko anbringen oder abnehmen wollte.
    Nur war so eine Arbeitsplatte in der Küche ein festes, stabiles Teil, da rieselte, bröckelte und brach nichts weg. In der geübten Manier war es nicht zu schaffen. Ganz abgesehen davon, dass ihre lahmen, strapazierten Kniegelenke ihr keine großen Hopser erlaubten und ihre Arme einfach keine achtundfünfzig Kilo mehr in die Höhe brachten, gab die Kante bei jedem Versuch nach.
    Zweimal rutschte sie ab und schrammte nur mit den von der Steppjacke gepolsterten Schultern am rauen Fels entlang, ehe sie auf den Hintern plumpste. Beim dritten Mal fiel sie auf den rechten Arm und befürchtete, sich den Ellbogen ernsthaft verletzt zu haben, weil es höllisch wehtat.
    Am liebsten wäre sie sitzen geblieben, bis sich ihr irgendwanneine helfende Hand entgegengestreckt hätte. Aber den Triumph gönnte sie dem Mistkerl nicht. Und dass nach hundert oder zweihundert weiteren Balladendurchläufen plötzlich Scheinwerfer aufflammten und Applaus aufbrandete, dass ein Fernsehteam mit Kamera und Mikrophon an den Grabenrand trat und gratulierte:
Herzlichen Glückwunsch, Frau Weißkirchen, Sie sind eine Runde weiter. Die nächste Station wäre das Dschungelcamp. Wollen Sie es riskieren oder geben Sie auf?
Die Chance darauf schätzte sie geringer als auf einen Sechser im Lotto.
    Nachdem der Schmerz im Arm etwas abgeklungen war, probierte sie es vorwärts. Es war beschämend, sie zog und schob und krabbelte und drückte sich den knappen Meter hoch, ohne wirklichen Halt für Hände oder Füße zu finden. Als sie endlich bäuchlings auf der Kante lag, brauchte sie gleich noch eine Verschnaufpause, barg das Gesicht in einer Armbeuge und wartete darauf, dass ihr Atem sich wieder normalisierte und das Herz langsamer pumpte.
    Das grüne Glimmen in etwa zwanzig Metern Entfernung schräg rechts hinter ihr sah sie nicht. Es wurde von einem größeren Felsbrocken verdeckt.

Nummer acht
    Nummer neun
    Da Marlene kaum noch auf die beständig lauter werdende Musik achtete und die Balladen nicht mehr mitzählte, konnte sie nicht mal grob schätzen, wie lange nach ihrer Verschnaufpause auf der Grabenkante sie in die Nähe der kleinen Kuhle gelangte, in der sie endlose Stunden vorher zu Bewusstsein gekommen war.
    Als die markierte Spur zu Ende war, befürchtete sie zuerst, die Mulde nicht wiederzufinden. Sie erinnerte sich nicht, ob sie nach zwei, drei oder vier Metern begonnen hatte, Steinchen beiseitezuwischen. Ein Meter mehr oder weniger machte viel aus, wenn man nur sechs Zündhölzer hatte.
    Sie richtete sich auf und wartete stehend ein Weilchen, um ihre dumpf pochenden Knie zu entlasten und ihrem Peiniger die Chance einzuräumen, ihr einen Fingerzeig auf den Ausgang zu geben. Wenn er vorhatte, sie ins Freie zu lotsen, musste er nicht unbedingt persönlich in Erscheinung treten und Gefahr laufen, dass sie ihn später mit hundertprozentiger Sicherheit identifizieren konnte. Wahrscheinlich bildete er sich ein, sie hätte keinen blassen Schimmer, wem sie diesen Horrortrip verdankte. Da hätte er ihr aber zwischendurch mal andere Musik bieten müssen.
    Doch er ließ nichts von sich sehen oder hören. Vielleicht hatte er sich zurückgezogen, als er sah, welchen Weg sie einschlug.Vielleicht dachte er, jetzt schaffe sie es ohne seine Hilfe.
    Sie opferte das nächste Zündholz, um sich zu orientieren, musste es wie das erste viermal über die Reibefläche führen, ehe das Köpfchen endlich aufflammte. Dann machte sie in der näheren Umgebung nicht nur eine Vertiefung im Boden aus, sondern Dutzende. Der gesamte Untergrund bestand hier aus Mulden, es sah aus wie eine Mondlandschaft.
    Aber nur an einer Kuhle reflektierte etwas schwach die unruhig vom Pappstreifen flackernde Flamme. Die Lache Erbrochenes schillerte noch feucht. Und das Flackern signalisierte nicht etwa einen Luftzug, es wurde von ihren zitternden Händen verursacht.
    Nachdem das Zündholz erloschen war, ließ sie sich wieder auf alle viere nieder, kroch zielstrebig und mit zusammengebissenen Zähnen das letzte Stück. Dann räumte sie erst mal die Kuhle frei, um nicht zu sitzen wie ein Fakir oder die Prinzessin auf der Erbse.
    Anschließend spähte sie minutenlang angestrengt in die Runde, um vielleicht irgendwo einen noch so schwachen Schimmer auszumachen, der ihr zuvor mit dem rasend schmerzenden

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