Der fremde Sohn (German Edition)
wunderschön«, raunte er ihr zu. Er nahm eine Garnele von der Platte, die sie seit einer Stunde herumreichte, ohne selbst auch nur einen Bissen davon gegessen zu haben. »Iss. Du wirst all deine Energie brauchen.« Mit diesen Worten steckte er sie ihr in den Mund.
Carrie zog die Augenbrauen hoch und blickte ihn mit strahlenden Augen an. Dabei stupste sie ihn mit dem Finger in die Rippen.
»Na, Kumpel.«
Widerstrebend drehte sich Brody um. Dabei bemerkte er aus dem Augenwinkel, dass Carrie wieder in die fröhlich feiernde Menge ihrer Freunde eintauchte. Ihre schlanke Gestalt in dem schlichten weißen Kleid würde er sein Leben lang in Erinnerung behalten.
»Du kannst dein Glück wohl selbst noch gar nicht fassen, was?«
»Nick. Schön, dich zu sehen.« Die beiden Männer klopften einander freundschaftlich auf die Schultern.
»Gratuliere, sie ist wirklich eine Schönheit.«
Brody nickte. »Ehrlich gesagt, das alles hätte ich mir nicht träumen lassen.«
»Du hast uns alle überrascht. Hier, für den Bräutigam«, sagte Nick, reichte Brody einen Drink und fragte: »Und wo arbeitest du jetzt?«
»Immer noch an der Uni. Wahrscheinlich bis an mein Lebensende. Und du?«
»Dieselbe alte Geschichte. Ich schufte immer noch für die Luft- und Raumfahrt. Aber die Bezahlung ist gut, und vielleicht nehme ich mir ja ein Beispiel an dir und trete auch bald vor den Traualtar.« Nick lachte ein wenig zu laut.
Brody verzog skeptisch das Gesicht und hob sein Glas. Sie tranken schweigend. Es schien so lange her zu sein, dass Nick und er während ihres Studiums eine enge Wohnung geteilt hatten. Nun führten sie ein gänzlich anderes Leben.
»Was macht sie eigentlich beruflich?« Nicks Blick folgte Carrie, die als perfekte Gastgeberin zwischen den Gästen umherging.
Nur Brody wusste, wie sehr sie sich danach sehnte, dass alles vorüber und sie endlich mit ihm allein wäre. »Sie ist Journalistin.« Er wollte nicht näher darauf eingehen, auch wenn er stundenlang darüber hätte reden können, wie gut sie in ihrem Job war und dass sie die Recherchen für ihre Reportagen beinahe ebenso wichtig nahm wie die Beziehung zu ihm. Dass sie gerade dabei war, in der Lokalnachrichtenredaktion der BBC Fuß zu fassen, und hoffte, später einmal für das Fernsehen zu arbeiten.
»Nett«, bemerkte Nick. »Na, dann mach’s gut. Ich gehe jetzt mal und plaudere ein bisschen mit …« Offenbar hatte er auf der anderen Seite des Raumes eine Frau bemerkt. Er hob ihr grüßend sein Glas entgegen und schlenderte davon. Bestimmt kannte er sie noch nicht, dachte Brody, aber das würde sich im Laufe des Abends ändern.
»Du auch.« Brody zog sich in eine Ecke des blumengeschmückten Saals zurück und lehnte sich an die Wand. Er sah auf die Uhr. Bald begann sein neues Leben.
Carrie war sich nicht sicher, wer ihren Brautstrauß gefangen hatte. Eigentlich erinnerte sie sich überhaupt nicht mehr gut an ihren ›großen Tag‹, wie es alle nannten. Er war so rasch vergangen, und doch würde er ihr ganzes weiteres Leben bestimmen. Hand in Hand verließen Brody und sie die Feier und machten sich auf den Weg zu dem Cottage in den Cotswolds, das sie für einige Tage gemietet hatten. Brody hatte viel Arbeit und konnte sich nicht länger freimachen, und mit ihrem neuerworbenen Haus, an dem noch so viel zu tun war, konnten sie sich Luxus-Flitterwochen im Ausland ohnehin nicht leisten.
Das steinerne Cottage am Rand von Chipping Norton gehörte einem von Brodys Kollegen an der Universität. »Hier ist es so friedlich.« Carrie stand am bleiverglasten Fenster und blickte auf die dunklen Felder hinaus, dann zog sie die Vorhänge zu. »Aber ich glaube, auf Dauer würde ich das Stadtleben vermissen.«
»Bob kommt meist am Wochenende her. Wahrscheinlich hat er immer eine hübsche junge Studentin dabei.«
»Wie kannst du nur so etwas an unserem Hochzeitstag sagen, Brody. Hast du auch vor, dich mit so einem schlauen jungen Ding zu amüsieren, wenn ich mal alt und grau bin?« Lachend zog Carrie die graue Strickjacke aus, die sie nach dem Empfang im Hotel zusammen mit einer neuen Seidenbluse und einer schwarzen Hose angezogen hatte.
»Die Frage brauche ich wohl nicht zu beantworten.«
Ein Schauer überlief Carrie, als Brodys große Hände geschickt die winzigen Knöpfe an ihrer Bluse öffneten und der glatte Stoff von ihren Schultern glitt. Sie öffnete den Verschluss ihres BHs und hielt in der kühlen Luft, die über ihren Körper strich, den Atem an. Sie ließen
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