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Der fremde Sohn (German Edition)

Der fremde Sohn (German Edition)

Titel: Der fremde Sohn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Hayes
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Stirn von der Hitze des Tages feucht war. Sie erinnerte sich, wie sie zwei Martinis gemixt und dabei das Glas mit Oliven umgestoßen hatte und wie Dennis plötzlich ihre Handgelenke gepackt und sie heftig an sich gezogen hatte.
    Am nächsten Morgen war es ihr peinlich gewesen, ihn aus dem Haus zu schmuggeln, und mit klopfendem Herzen hatte sie Max abgelenkt, damit Dennis unbemerkt verschwinden konnte. Das war ihr Vergnügen im Bett bei weitem nicht wert gewesen. Außerdem fürchtete sie den unvermeidlichen Skandal, wenn bekannt würde, dass sie ein Verhältnis mit dem Detective hatte, der gelegentlich in ihrer Show auftrat. Das alles gehörte zu diesen lästigen Kleinigkeiten, die sie so verabscheute.
    »Wir haben seine Fingerabdrücke auf dem Messer gefunden«, sagte Dennis nun, nahm einen Ordner zur Hand, legte ihn dann aber wieder auf den Schreibtisch. »Kurz gesagt, die Abdrücke stammen von einem Jungen namens Warren Lane. Er ist vorbestraft, und die Beschreibung, die Sie, Herr Professor, uns gegeben haben, passte genau auf ihn. Ich bin sicher, er war einer der Jungen, die Sie in dem Café beobachtet haben.« Dennis wählte seine Worte sorgfältig.
    Carrie zwang sich, ihre Gedanken zu ordnen. »Wenn Brody dir eine Beschreibung gegeben hat …« Sie unterbrach sich. Es war ihr unverständlich, warum die Polizei für diese Erkenntnisse so lange gebraucht hatte. »Du hast tatsächlich Max’ Mörder beobachtet«, sagte sie zu Brody, und ein Laut drang aus ihrer Kehle, der halb ungläubiges Lachen, halb ein Wimmern war. »Du hast ihn beobachtet «, wiederholte sie, wobei sie sich der Ironie bewusst war. »Hättest du nicht etwas tun können, um ihn aufzuhalten?«
    »Max hätte es mir nie verziehen, wenn ich mich eingemischt hätte. Ich wollte ihm das Leben ein wenig erträglicher machen. Welcher Vater würde das nicht wollen? Ich konnte doch nicht ahnen, dass es so enden würde.«
    »Ich fürchte, es gibt auch schlechte Neuigkeiten«, unterbrach Dennis den Wortwechsel, worauf sich Carrie und Brody wieder ihm zuwandten.
    Schlechte Nachrichten?, dachte Carrie. Nein, die konnte es für sie in diesem Leben nicht mehr geben.
    »Vor einer halben Stunde hat die Staatsanwaltschaft beschlossen, keine Anklage zu erheben. Wir müssen Warren Lane aus dem Gewahrsam entlassen.«
    »Was?« Brody schlug mit beiden Händen auf den Schreibtisch. Carrie schwindelte, und sie griff zitternd nach seiner Hand.
    »Es tut mir leid, aber das liegt nicht in meinem Ermessen«, sagte Dennis. »Nach Ansicht des Staatsanwalts waren die vorgelegten Beweismittel nicht ausreichend.«
    »Für mich klingt das alles aber verdammt überzeugend«, stieß Carrie hervor, dann brach sie vor Wut in Tränen aus.
    »Es ging um die Qualität der Fingerabdrücke auf dem Messer. Die Übereinstimmung mit Lanes Abdrücken war nicht deutlich genug, so dass sie nicht als Beweis ausreichen.« Dennis schwieg einen Moment lang, um den beiden Zeit zu geben, das Gehörte zu verarbeiten, dann fügte er hinzu: »Ich habe natürlich schon eine weitere Untersuchung des Messers veranlasst. Vielleicht finden sich ja noch deutlichere Abdrücke. Es tut mir leid, das Ganze ist wirklich ein Trauerspiel.«
    Dayna übergab sich, doch es kam kaum etwas, da sie seit einer Ewigkeit nichts Richtiges mehr gegessen hatte. Ihr Magen krampfte sich zusammen, und ihre Eingeweide fühlten sich an, als würden sie ausgewrungen. Es war entsetzlich. Die Hände auf die kalte Toilettenbrille gestützt, stemmte sie sich vom Boden hoch, bis sie benommen auf wackligen Beinen stand. Ihr war so schwindlig, als triebe ihr Gehirn im Raum umher. Ihre Haut kribbelte, und ihr Mund war abwechselnd trocken und voller Speichel. Hastig ging sie wieder in die Knie und erbrach sich erneut.
    »Nun mach doch mal voran, Mädchen!«, ertönte eine Stimme vor der Tür. Es war Kev, der wie jeden Mittwoch in den Arbeiterclub gehen und sich vorher noch rasieren wollte. Dayna begriff nicht, warum er überhaupt dort hinging. Er hatte kaum jemals in seinem Leben gearbeitet.
    Sie betätigte die Spülung und trat hinaus auf den kleinen Treppenabsatz. Ihre Zunge brannte, und ihre Bauchmuskeln schmerzten. Mit finsterem Blick drängte sich Kev an ihr vorbei ins Bad und schlug die Tür hinter sich zu. Dayna ging in ihr Zimmer, legte sich aufs Bett und weinte. Max war tot. Es gab keine Treffen mehr in der Bude, keine geteilten Zigaretten, keine Preisausschreiben. Bei dem Gedanken an diese Leere wurde ihr schon wieder schlecht.
    Da

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