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Der fremde Sohn (German Edition)

Der fremde Sohn (German Edition)

Titel: Der fremde Sohn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Hayes
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dazu?«, schleuderte sie der Frau entgegen.
    »Ich … ich …« Carrie verstummte und betastete ihren Ohrhörer. »Wann ist es so weit?«, flüsterte sie so leise, dass Dayna ihr die Worte fast von den Lippen ablesen musste. »Max’ Baby …«
    »Wissen Sie«, erwiderte Dayna und schaute direkt in die auf sie gerichtete Kamera, »so einfach ist das nicht.«
    Sie erinnerte sich wieder an sein verzerrtes Gesicht, seine abgrundtiefe Verlorenheit und Verzweiflung. »Ich habe es doch nicht so gemeint. Ich wollte nicht, dass du abtreibst. Aber du hast diese Sachen über mich erzählt. Die anderen haben behauptet, du wärst eine Schlampe und hättest es mit jedem getrieben. Sie haben gesagt, du hasst mich. Da habe ich dich auch gehasst.«
    Dayna hatte nur mit den Schultern gezuckt. Es war leichter, gleichgültig zu tun. Dabei hätte sie ihm gern gesagt, dass die anderen auch ihr weh getan hatten. Jemand musste sie beobachtet haben, als sie aus dem Heizungskeller kamen. Sie hatten die Lügen aus ihr herausgepresst, und selbst wenn sie nichts gesagt hätte, hätten sie etwas erfunden. So waren sie eben. Ihr eigenes Leben und das der anderen – ein einziges Elend.
    »Ich habe nie mit jemand anderem geschlafen«, stieß Dayna schließlich hervor, doch Max glaubte ihr nicht. Er machte ein Gesicht, wie sie es noch nie an ihm gesehen hatte. Der geballte Zorn und das Misstrauen darin jagten ihr Angst ein. Zum ersten Mal fürchtete sie sich vor ihm.
    »Was war das für ein Gefühl, he? Als sie es dir rausgerissen haben.« Hechelnd wie ein Tier, mit gesenktem Kopf und geballten Fäusten lief er mit langen Schritten an der Mauer auf und ab.
    »Max … bitte …« Dann bemerkte Dayna sie. Waren es vier oder fünf? Aus dem Augenwinkel nahm sie wahr, wie sie um den Maschendrahtzaun herumgingen, der das Schulgelände von der Straße trennte. Sie sah kurz hin, dann richtete sie den Blick wieder auf Max.
    »Es waren mehrere. Max und ich haben gestritten, als ich sie bemerkte«, sagte sie laut und deutlich zu Carrie. Es war ein geschickter Schachzug, um wieder auf das Thema zu kommen, das alle interessierte.
    »Wer?«, fragte Carrie mit Tränen in den Augen. Sie lehnte sich zurück und trank einen Schluck Wasser.
    »Die Bande. Sie streiften herum und suchten Streit.«
    »Konntest du ihre Kleidung erkennen?«
    »Das Übliche. Jogginghosen, Turnschuhe, Kapuzenjacken.«
    »Hast du einen von ihnen erkannt?« Als Carrie sich vorbeugte, glaubte Dayna ihre Verzweiflung fast riechen zu können. Plötzlich hatte sie das Gefühl, als sei es ihre Show und Carrie der Gast.
    Sie wandte sich der Kamera zu, kniff die Augen zusammen und sagte zögernd: »Ich bin nicht sicher.« Dabei konnte sie sich sehr gut erinnern – schließlich hatte sie die ganze Woche lang kaum etwas anderes getan, als vor ihrem geistigen Auge wieder und wieder die wenigen Minuten ablaufen zu lassen, die sich wie Tage gedehnt hatten.
    »Max«, hatte sie ihn mit einer Kopfbewegung in Richtung der Bande gewarnt. »Hinter dir.«
    Max drehte sich kurz um, doch dann wandte er sich mit unvermindertem Zorn wieder Dayna zu. Die Anwesenheit der anderen Jungen schien ihn nicht zu stören.
    »Soll ich dir mal was sagen?« Er trat direkt auf sie zu, so dicht, dass ihre Beine gegen die Mauer gepresst wurden.
    Dayna blickte achselzuckend über seine Schulter. Jetzt waren sie schon fast am Tor angelangt. Sie hatten sie und Max bemerkt, starrten zu ihnen herüber. »Sicher.« Es gefiel ihr nicht, wie Max sich benahm. Sie fühlte sich von ihm bedroht. Er hob seine Tasche hoch und klopfte mit der Hand darauf. Sie wusste, was darin war.
    »Ich habe keine Angst mehr.«
    »Das ist gut, Max.« Dayna spielte das Spiel mit. Es war ein Fehler gewesen, sich auf eine Auseinandersetzung mit ihm einzulassen. Sie musste eben akzeptieren, dass es vorbei war. In ein paar Monaten würde sie ihre Prüfungen machen und die Schule abschließen. Sie nahm eine Pommes und wollte sie gerade in den Mund stecken, als Max ihr die Pappschale aus der Hand riss und sie von sich schleuderte, dass die Pommes nach allen Seiten flogen. Einer der Jungs am Tor klatschte gemächlich Beifall. Ein anderer lachte und johlte.
    »Was glotzt ihr so blöd?«, brüllte Max zu ihnen hinüber.
    »Nicht, Max«, bat Dayna. »Beruhige dich und lass uns einen rauchen.« Mit zitternden Fingern zündete sie den Joint an. »Hier.« Sie reichte ihn Max, der nicht widerstehen konnte und sich neben ihr auf dem Mäuerchen niederließ. Mit

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