Der fremde Sohn (German Edition)
Lane Ärger zu ersparen. Sie haben mir genau erzählt, was geschehen ist, und ihre Aussage stimmt mit den Ergebnissen der Laboruntersuchung und der Autopsie überein.«
»Ich habe Max umgebracht. Es ist meine Schuld, dass er nicht mehr am Leben ist«, wiederholte Dayna eindringlich.
»Nein, meine Liebe, das hast du nicht getan.« Seufzend legte Dennis ihr eine Hand auf den Arm. »Lanes Geständnis verschafft ihm den ersehnten langen Aufenthalt im Gefängnis.«
Dayna wurde abwechselnd heiß und kalt. »Nein … nein … Sie verstehen nicht –«
»Aber weißt du, ich habe da ein kleines Problem.« Dennis drehte sich mit dem Rücken zum Fernsehteam und rückte noch näher an Dayna heran. »Meine Kollegen sind auf dem Weg, um Warren zu verhaften. Dann wird Anklage gegen ihn erhoben, und im Handumdrehen sitzt er im Knast. Da ist der kleine Mistkerl dann für eine lange Zeit gut aufgehoben. Und die da oben sind auch zufrieden, weil die Zahl der ungelösten Fälle nicht ganz so hoch ausfällt. Das einzige Problem sind Samms, Driscoll … und natürlich du.«
Dayna erschrak. Was meinte er damit? Sie verstand das alles nicht.
»Wenn ich dir einen guten Rat geben darf, meine Kleine: Wenn du dir keinen Ärger wegen Irreführung der Polizei und Behinderung der Justiz einhandeln willst, dann hältst du den Mund. Konzentrier dich darauf, zur Schule zu gehen und gut für dein Baby zu sorgen, wenn es dann auf der Welt ist.«
Dennis lächelte – wahrscheinlich um seine Angst zu verbergen, sie könnte Scherereien machen –, dann richtete er sich auf und streckte stöhnend seinen knackenden Rücken.
Nein … nein … So ging das nicht. Es war eine Sache, wenn Dayna wegen Max ins Gefängnis musste. Es wäre ihre ganz persönliche Hölle, eine gerechte Strafe. Aber eingesperrt zu werden, weil dieser Bulle sie in die Pfanne gehauen hatte, war etwas ganz anderes.
Dayna überlegte fieberhaft. Um Max’ und ihrer selbst willen wäre es ihr eine Genugtuung, wenn sie einen wie Warren Lane drankriegten. Schließlich hatten er und seine Bande ihnen jahrelang das Leben schwergemacht.
»Was ist denn nun mit Driscoll und seinem Kumpel?«, fragte Dayna.
»Denen habe ich das Gleiche gesagt wie dir: Sie sollen den Mund halten und mir aus den Augen gehen, oder sie kriegen Ärger, weil sie ihre Aussage so lange zurückgehalten haben. Rate mal, wofür sie sich entschieden haben.« Dennis lachte. Dayna hätte nie gedacht, dass er so hinterhältig sein konnte.
»Und Max’ Mutter? Weiß sie Bescheid?«, wollte Dayna wissen.
Dennis, der sich schon zum Gehen gewandt hatte, drehte sich noch einmal um und kam zurück. »Was glaubst du?« Er sah sie eindringlich an.
Dayna fühlte sich unwohl unter seinem Blick. Ihr Kopf schmerzte, und sie wäre am liebsten auf der Stelle davongerannt.
Sie hatte doch nur Max schützen wollen, und das war nun daraus entstanden. Im Lauf der vergangenen Woche hatte sie mehr als einmal daran gedacht, Max dorthin zu folgen, wo er jetzt war. Doch zugleich wusste sie, dass sie niemals den Mut dazu aufbrächte, erst recht nicht jetzt, da sie für einen anderen Menschen verantwortlich war.
Sie kniff erneut die Augen zu, doch die grellen Bilder blieben, wie eingebrannt in ihr Hirn. Sie würde sie niemals loswerden.
Bevor der Rettungswagen und die Polizei eingetroffen waren, hatte Dayna in blinder Hast das Messer unter Max’ Bein hervorgezogen und es unter ihrer Strickjacke versteckt. Und plötzlich waren alle da – Sanitäter, Polizisten, Lehrer und Schüler – und verbreiteten Lärm und Unruhe. Mr Denton packte sie am Arm und bestürmte sie mit Fragen. Das Getümmel wurde immer größer, und irgendwann gelang es ihr, unbemerkt zu entwischen. Immer weiter rannte sie in ihrer Panik, ohne zu wissen wohin. Schließlich war sie am Bach angelangt, wo sie keuchend und hysterisch schluchzend stehen blieb. Da sah sie eine Plastiktüte im Wasser schwimmen, zog sie kurzerhand heraus, wickelte das Messer hinein und ließ es in ein Abflussrohr fallen. Dort würde es niemand finden.
Bei der Geschichte, die sie sich spontan ausgedacht hatte, war sie dann doch nicht geblieben. Hätte sie einen aus der Bande der Tat beschuldigt, hätte sie befürchten müssen, dass einer der Jungs auspackte. Aber sie hatte sich geirrt. Die Jungen sagten nichts. Sie hätte es wissen müssen – das war nun einmal ihre Art: zusammenhalten, kein Wort zu den Bullen, und wer redete, hatte die Konsequenzen zu tragen. Das war das simple
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