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Der fremde Sohn (German Edition)

Der fremde Sohn (German Edition)

Titel: Der fremde Sohn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Hayes
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Schicksalsschlag ging und nicht um irgendeinen Fremden, eine bloße Ziffer in einer Statistik.
    »Die Täter sind überstürzt geflüchtet. Wir wissen, dass es mehrere waren.« Dennis bemerkte, dass sich Carrie mit gesenktem Kopf abwandte. »Leider haben wir die Waffe noch nicht gefunden. Aber wenigstens gab es eine Zeugin.« Nachdem sich das Mädchen bisher als wenig hilfreich erwiesen hatte, zweifelte Dennis allerdings daran, dass es ihnen viel nutzen konnte. Dabei war ihm nicht klar, ob es log, noch immer unter Schock stand oder einfach nicht zusammenhängend denken konnte – aus Erfahrung tippte er auf das Letztere.
    »Tatsächlich?«, flüsterte Carrie.
    »Wir werden jeden befragen, Fingerabdrücke und DNS -Proben nehmen und die Aufzeichnungen der Überwachungskameras auswerten.«
    Während er noch sprach, ging Carrie nickend zur Absperrung. Schwankend stand sie dort, am Rand des Tatorts, als würde ein einziger weiterer Schritt sie ins Jenseits befördern.
    »Hier ist er gestorben?«
    »Ja.«
    »Erst heute Vormittag. Ich verstehe das nicht. Es liegt erst so kurz zurück, und dennoch erscheint es mir wie eine Ewigkeit.« Ihre Stimme klang dünn. »All die gemeinsamen Jahre.« Zitternd hob Carrie das Absperrband an. »Einfach weg.«
    »Da kannst du nicht reingehen.« Rasch legte Dennis ihr die Hand auf die Schulter. »Tut mir leid, aber wir müssen es uns von hier aus ansehen.«
    Carrie nickte. »Ist das da Blut?«
    »Dort haben die Rettungssanitäter Max versorgt.« Dennis versuchte zunächst, möglichst sachlich zu bleiben.
    »Es ist also Max’ Blut?«
    Dennis musste die Frage bejahen. Es wäre ihm lieber gewesen, wenn sie wütend geworden wäre. Vielleicht hätte sie sich dann an etwas erinnert, das ihnen weiterhalf.
    »Es ist so dunkel. Wie Sirup.«
    Dennis spürte, wie Carries kalte Finger nach seiner Hand tasteten, und drückte sie fest. Ihre Verletzlichkeit erschütterte ihn.
    »Es ist so viel. Hat er gelitten?«
    »Er wurde erstochen, Carrie. Mit mehreren Stichen.«
    Das war fast, als hätte er gesagt: Ja, er ist dort auf dem dreckigen Boden einen langsamen, qualvollen Tod gestorben. Dennis tat das nicht gern, aber er wollte eine Reaktion provozieren. Er brauchte Carries Hilfe.
    Doch sie schluckte nur und sagte mit ausdrucksloser Stimme: »Ah. Danke.«
    Dennis drehte sie zu sich herum. Das war nicht mehr die Frau, die er kannte und mit der er jahrelang zusammengearbeitet hatte. Die Frau, die mit ihrer Show zur besten Sendezeit die Leute schockierte und zur Empörung anstachelte. Diese Carrie Kent sagte niemals einfach Ah und selten Danke .
    »Ich will wissen, wer das getan hat, Carrie!« Er zwang sie, ihn anzusehen. »Dein Sohn muss doch Besuch von Freunden gehabt und darüber gesprochen haben, wen er mochte oder nicht leiden konnte. Du musst mir helfen.«
    »Ich … ich … ich arbeite doch so lange. Da war ich nicht immer zu Hause.«
    Dennis konnte ihr schlechtes Gewissen förmlich riechen. Wie gern hätte er mit den Händen ihr Gesicht umfasst, ihr das Haar zurückgestrichen, sie an sich gezogen. Doch das traute er sich nicht. In ihrer kurzen Beziehung hatte stets sie den Ton angegeben.
    »Wollen wir hoffen, dass sein Computer oder sein Handy Hinweise liefert. In der Zwischenzeit befragen meine Leute alle Schüler und Lehrer hier.«
    »Gehst du auch zu seiner früheren Schule?«, fragte Carrie leise.
    »Wenn nötig, ja. Es kommt darauf an, was wir hier herausfinden. So traurig es klingt, aber es könnte sein, dass Max einfach zur falschen Zeit am falschen Ort war. Jugendliche tragen Messer bei sich und gebrauchen sie auch.«
    Carrie nickte und ging zurück zum wartenden Wagen. Wie klein sie aussah, dachte Dennis. Er wollte sie nach Hause bringen und dann ins Büro fahren, um zu erfahren, was es Neues gab.
    Auf dem Rückweg begann es zu regnen – erst in einzelnen Tropfen, die gegen die Windschutzscheibe klatschten, dann immer stärker. Wie aus dem Nichts waren dunkle Wolken aufgezogen. Er konnte nur hoffen, dass die Spurensicherung rasche Arbeit geleistet hatte.
    »Jess.« Dennis nickte seiner Kollegin zu, die auf der anderen Seite seines Schreibtisches Platz nahm. Sie wollten erst unter vier Augen miteinander reden und dann den Rest des Teams informieren. »Gibt’s was Neues?«
    DI Britton händigte ihm ein paar Unterlagen aus. »Die ersten Vernehmungsprotokolle aus der Schule. Kurz gesagt, Max war kein besonders beliebter Schüler. Nach Aussage seiner Klassenkameraden sonderte er sich von den

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