Der Friedhofswächter
schrie O'Lee. Er stand in der Hütte und drehte sich um die eigene Achse. Die anderen hielten sich nahe der Tür auf und hoben die Schultern.
»Wer sollte das denn getan haben?« fragte der Bürgermeister. »Nur wir haben darüber gesprochen.«
Warnend hob der Pfarrer die Hand. »Wenn er mit dem Teufel im Bunde steht, ist alles möglich. Der wird ihn gewarnt haben.«
O'Lee drehte sich um. »Hör auf, Pfaffe! Wir werden ihn suchen. In der Kutsche sind Fackeln. Die zünden wir an und suchen die Umgebung ab. Irgendwann wird er uns schon in die Arme laufen. Los, kommt!«
Diesmal verließ der Bürgermeister als erster die Hütte. Es war wohl Zufall, daß er die Gestalt sah. Vielleicht hatte ihn auch das warnende Wiehern der Pferde aufmerksam gemacht. Als er den Kopf hob, sah er plötzlich die Gestalt.
Das war Asher!
Der Bürgermeister sprang in diesem Augenblick über seinen eigenen Schatten. Nie hätte er dies auf die eigene Kappe genommen, aber hier besaß er Rückendeckung.
Auch Asher war überrascht. Er kam erst zu sich, als der Bürgermeister sich gegen ihn warf, die Beine umklammerte und ihn von den Füßen riß. Da wurde er plötzlich munter.
Zu spät!
Zwei Tritte mußte der Bürgermeister nehmen, sie hinderten ihn nicht am Schreien. Das hörten die anderen.
O'Lee war ein kräftiger Mann. Er trug einen Holzknüppel unter der Jacke, holte ihn hervor und drosch auf Asher ein, so daß diesem Hören und Sehen verging.
Daß er den Bürgermeister dabei auch traf, interessierte ihn nur mehr am Rande. Wichtig war Asher, der schließlich bewußtlos am Boden lag und aus einigen Wunden blutete. An der Stirn und im Nacken war Haut aufgeplatzt.
Der Pfarrer trat vorsichtig näher. Sein Gesicht zeigte einen schreckhaften Ausdruck. »Ist er tot?«
O'Lee lachte. »Nein, Hochwürden. So einer wie der verträgt schon was. Der hat sich nur für eine Weile abgemeldet. Das ist auch gut so. Da können wir ihn ohne Schwierigkeiten transportieren und schon für das Grab vorbereiten. Packt ihn in die Kutsche.«
Totengräber und Bürgermeister luden den Bewußtlosen ein. Sie krümmten den Körper und legten ihn auf dem freien Platz zwischen den Sitzen nieder. Der Bürgermeister setzte noch seine Füße auf den Leib, während sich der Pfarrernahe des Ausstiegs in die Sitzecke gedrückt hatte und den Bewußtlosen mit ängstlichen Blicken beobachtete. O'Lee hatte wieder auf dem Kutsch bock seinen Platz gefunden. Er gab den Tieren die Peitsche zu schmecken, die sich um die Hand drehten und sich auf den Rückweg machten.
An der inneren Haltestange klammerte sich der Pfarrer fest. Er war auch weiterhin nervös und fragte mehr als einmal, ob der Kerl auch nicht erwachen würde.
»Nein.« Sein Gegenüber schüttelte den Kopf. »Wo O'Lee hinschlägt, wächst kein Gras mehr.«
»Ja, das weiß ich.«
Beide Männer fieberten dem Ende der Reise entgegen. O'Lee hatte es noch eiliger, den Friedhof zu erreichen. Er nahm auch keine Rücksicht auf die Beschaffenheit des Bodens. Die Räder holperten über die oft ziemlich hohen Hindernisse hinweg, die Kutsche wurde durchgeschüttelt, sie ächzte in der Federung. Wenn der Weg für sie zu eng wurde, schlugen Baumzweige gegen die Außenhaut wie die starren Arme lebendig gewordener Toter. Der Körper rollte von einer Seite auf die andere und stieß gegen die Füße der sich gegenübersitzenden Männer. Manchmal stöhnte Asher auch trotz seiner tiefen Bewußtlosigkeit auf. Zum Glück erwachte er nicht.
Direkt vor dem Tor des Friedhofs liefen die beiden Pferde aus. Sie stoppten, scharrten mit den Hufen. Warmer Atem fuhr aus den Mäulern und Nüstern, Schaum lag auf den Flanken. Die Anstrengung war einfach zu groß gewesen.
O'Lee öffnete die rechte Seitentür. Er grinste scharf. »Na, ist er noch da?«
»Sicher.«
»Los, schiebt ihn rüber!«
Da der Pfarrer sich nicht von seinem Platz rührte, übernahm der Bürgermeister die Aufgabe. An die Hüften wurde der Bewußtlose gefaßt und auf die Tür zugeschoben, wo O'Lee ihn unterpackte und über seine Schulter wuchtete. Dabei sackte er leicht in die Knie, fing sich aber wieder und ging mit seiner Beute durch das offene Tor des Friedhofs. Die anderen folgten ihm. Der Totengräber direkt, Bürgermeister und Pfarrer dahinter.
Noch war kein Grab belegt. Man hatte das Gelände nur eingezäunt, aber ein Grab war bereits geschaufelt worden.
Es herrschte eine etwas unheimliche Atmosphäre. Die Kühle hatte Nebel aufkommen lassen. Leichter Wind fuhr in
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