Der Friedhofswächter
die Schwaden hinein, quirlte sie durcheinander und trieb sie auch über den noch jungfräulichen Friedhof hinweg, so daß auch die vier Männer von diesem Dunst erfaßt wurden und sich scheu umschauten.
Wieder hatte der Pfarrer die größte Furcht. Seine Nackenhaut spannte sich, als er sagte: »Manchmal habe ich das Gefühl, als würde uns der Leibhaftige beobachten.«
»Vielleicht ist er auch da.«
»Hört auf, Bürgermeister! Mit diesen Dingen treibt man keinen Scherz, hört ihr?«
»Schon gut.«
Sie hatten Mühe, mit O'Lee, Schritt zu halten, der trotz seiner schweren Last schnell ging. Noch war das Gelände ziemlich leer. Kaum ein Baum wuchs hier, nur Gras und Flechten bedeckten den Boden. Es war auch die Aufgabe des Totengräbers, den Friedhof zu kultivieren und das entsprechende Buschwerk anzupflanzen.
O'Lee erreichte das offene Grab zuerst. An seiner rechten Seite blieb er stehen und schaute in die Grube. Der Totengräber hatte am Kopfende gestoppt.
»Hast ja tief geschaufelt!«
»Ja, ich gab mir Mühe.«
»Gut, ich lasse ihn reinfallen.« Der Großgrundbesitzer drehte sich und beugte auch seine Schulter nach unten, so daß der Tote herabrutschen konnte.
Fast hätte sich der Mann auf dem Weg in die Grube noch überschlagen, aber er fiel so hin, wie O'Lee es haben wollte. Rücklings blieb er liegen. Das Gesicht sah blaß aus wie eine Scheibe. Auch weiterhin blieb Asher bewußtlos.
»Ich habe richtig zugeschlagen!« lobte O'Lee sich selbst. Der Totengräber hatte bereits eine Hand auf den Schaufelgriff gelegt. Das Werkzeug ragte aus dem Lehmhaufen neben dem Grab. »Vielleicht kommt er zu sich, wenn ich ihn vollschaufle.« Der Mann grinste. »So muß es sein. Der erste wird lebendig begraben, das habe ich mir immer gewünscht. Nie konnte ich selbst einen Friedhof anlegen, ich…«
»Halt den Rand, Totengräber!« O'Lee winkte die beiden anderen Männer herbei.
»Ihr seid unsere Zeugen, wenn wir beginnen«, erklärte er. »Hochwürden, Ihr als Pfarrer habt das Recht, die erste Schaufel Lehm auf den Körper zu schleudern. Gebt dem Friedhof somit den Wächterund auch die nötige Weihe, wie es die alten Gesetze unseres Landes vorschlagen.«
»Ja, ja«, sagte der Geistliche und trat näher. Wohl war ihm nicht. Wind fuhr über das Gelände und ließ seinen langen Mantel wehen. Der Totengräber hatte die Schaufel schon aus dem Lehmhaufen gezogen und drückte dem Pfarrer den Holzstiel in die Hand. Der Geistliche nickte. Die anderen Männer waren zurückgetreten, damit er Platz bekam. Sie standen da wie steinerne Aufpasser. Keiner von ihnen sprach ein Wort.
Gemeinsam würden sie das Grab zuschaufeln und den anderen bei lebendigem Leibe sterben lassen.
Asher war ein kräftiger Mann. Er sah wild aus mit seinem schwarzen, ungekämmten Haar, das auch lockig auf dem Körper und seinen Armen wuchs. Beinahe glich er einem Tier.
Der Lehm war feucht und dementsprechend schwer. Der Pfarrer, die ungewöhnliche Arbeit nicht gewohnt, ließ die Hälfte des Lehms von der Schaufel rutschen, bevor er das Blatt schwenkte, so daß der Rest in die Tiefe fallen konnte.
Die Erde klatschte auf den Bauch des Bewußtlosen. Jeder sah es, und jeder glaubte, das Zucken erkennen zu können.
Aber sie hörten auch etwas.
Ein unheimlich klingendes Knurren und Heulen, das aus dem Mund des Bewußtlosen drang…
***
Den Pfarrer erwischte es zuerst. Er hatte die schlechtesten Nerven, ließ die Schaufel los und sprang zurück, wobei er hastig ein Kreuzzeichen schlug und noch blasser wurde.
»Das war er. Das war der Teufel, verdammt. Ja, das war der Teufel!« Er schluckte und schüttelte sich.
O'Lee, auch überrascht worden, fing sich als erster. »Seit wann heulte der Teufel wie ein Wolf?«
Niemand konnte ihm darauf Antwort geben, und so nahm O'Lee die Sache selbst in die Hand.
»Ich werde ihn begraben!« erklärte er und machte sich unter den Augen der anderen an die schaurige Arbeit…
Dorian Asher spürte die harten Schläge, als der Lehm auf seinen Körper geschleudert wurde. Und jeder Treffer brachte ihn dem endgültigen Tod näher. Er war bewußtlos, aber er befand sich in einem Zustand, wo er alles mitbekam, was um ihn herum vorging. Er hörte die anderen sprechen und fluchen. Er hatte vernommen, welch ein Schicksal man ihm zudachte. Natürlich kannte auch er die Legende vom Friedhofs Wächter, aber er hätte nie gedacht, daß gerade er diese Rolle einmal einnehmen sollte.
War er überhaupt die richtige Person?
Man konnte
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